Münster:Verurteilter Mörder legt Fußfessel ab und flüchtet

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Ralf H. auf dem Foto, das die Polizei im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsfahndung veröffentlicht hat. (Foto: Polizei Münster/dpa)

Ralf H. war kurz davor, seine Haftstrafe antreten zu müssen. Nun wird mit Fotos nach ihm gefahndet.

Ein rechtskräftig verurteilter Mörder hat in Münster seine Fußfessel abgelegt und ist geflüchtet, kurz bevor er seine Haft hätte antreten müssen. Wie ein Sprecher der Polizei Münster sagte, wird nun nach dem Mann gefahndet. Die Polizei veröffentlichte Fotos und bat um Hinweise.

Ralf H. war im Januar dieses Jahres, 27 Jahre nach dem gewaltsamen Tod der damals 16-jährigen Nicole S., zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Festgenommen wurde er 2018, nach einer Neuauswertung von DNA-Spuren. Dabei ging es um eine Hautschuppe, die seinerzeit auf der Leiche gefunden wurde. H. hatte die 16-Jährige 1993 in einem Dortmunder Vorort aus sexuellen Motiven überfallen und erwürgt. Ein zunächst angesetzter Gerichtprozess konnte wegen einer kranken Richterin nicht zu Ende geführt werden.

Nach dem Urteil im Januar dieses Jahres hatte das Oberlandesgericht Hamm entschieden, dass der Verurteilte aus der überlangen Untersuchungshaft bis zu einem rechtskräftigen Urteil entlassen werden musste. Aus Sicht des OLG hatte sich das Landgericht zwischen den beiden Prozessen zu viel Zeit gelassen.

Weil die Justiz keine Fluchtgefahr sah, blieb Ralf H. nach dem Schuldspruch frei und bekam eine Fußfessel. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte, wurde das Urteil nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes vor wenigen Tagen rechtskräftig. Am Dienstag sei die Staatsanwaltschaft darüber informiert worden - woraufhin sie die Haft vollstrecken lassen wollte.

Der Polizei zufolge hat der 56-Jährige am Dienstagabend um 20.10 Uhr in Münster seine Fußfessel abgelegt und sein Handy zurückgelassen. In dem Fahndungsaufruf heißt es: "Die Bevölkerung wird um Mithilfe bei der Suche nach dem Flüchtigen gebeten."

"Eine Katastrophe" für die Eltern des Opfers

Anwältin Arabella Pooth, die Nicole S.' Eltern als Nebenkläger vor Gericht vertreten hatte, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es war klar, dass der Mann sich seiner Haftstrafe nicht stellen würde." Dass er seinerzeit nach dem Prozess zunächst auf freiem Fuß geblieben war, sei rechtlich zwar möglich gewesen, aber aus ihrer Sicht falsch. Dass der Mann nun verschwunden sei, sei für die Eltern des Opfers "eine Katastrophe" und nicht zu begreifen.

Sein Verteidiger Udo Vetter bestätigte am Mittwoch, dass auch er die Entscheidung des Bundesgerichtshofes erhalten habe. Mehr wisse er derzeit nicht. Im Prozess hatte der Anwalt stets auf die schwachen Indizien hingewiesen. Der Gerechtigkeit sei nicht Genüge getan, wenn jemand verurteilt werde. "Es muss auch der Richtige verurteilt werden", so Vetter.

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