Orte wie diesen gibt es im Schwarzwald an allen Ecken und Enden: ein paar Tausend Einwohner, einige Hunderttausend Übernachtungen von Touristen jedes Jahr. Ein Idyll. Nun ist dieses Idyll zum Tatort geworden. "Das ist ja das Fatale", sagt der Bürgermeister am Telefon, "dass man denkt: An so einem Ort ist die Welt noch in Ordnung." Aber lauern nicht gerade an idyllischen Orten manchmal die tiefsten menschlichen Abgründe?
Es ist ein besonders widerwärtiger Fall von Vergewaltigung und Pädophilie: Eine Mutter und ihr einschlägig vorbestrafter Lebensgefährte, in dem Schwarzwaldort beheimatet, haben mutmaßlich nicht nur ihren mittlerweile neunjährigen Sohn missbraucht; sie haben ihn auch für Missbrauchstaten im Internet verkauft. Zwei Jahre lang. Wie die Polizei und Staatsanwaltschaft bekannt machten, sitzen acht Beschuldigte in Untersuchungshaft.
Studie zu Kindesmissbrauch:"Meine Mutter hat die Augen zugemacht"
Viele Familienangehörige greifen bei Missbrauch nicht ein. Das geht aus einer Studie der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hervor.
Der Name des Ortes soll nicht genannt werden. Zum Schutz des Kindes
Dass der Fall erst jetzt bekannt wurde, ist ein großer Erfolg für die Ermittler. Bereits im September 2017 wurde das Paar in der Nähe eines Einkaufszentrums verhaftet. Es war ein beachtlicher Aufschlag, der halbe Ort war abgesperrt, Kräfte des Bundeskriminalamtes und des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg waren im Einsatz. Erst eine Woche zuvor war beim LKA ein anonymer Hinweis eingegangen. Der Junge sollte so schnell wie möglich aus dem Martyrium befreit werden. Danach machte man sich daran, die weiteren Verdächtigen Zug um Zug zu identifizieren und dann festzusetzen.
Polizei und Staatsanwaltschaft bitten eindringlich darum, den Ort im Schwarzwald nicht zu benennen. Es geht nicht darum, den touristischen Ruf zu schützen, sondern das betroffene Kind. Es befindet sich in der Obhut des Jugendamts, aber möglicherweise seien ja Reste seines sozialen Umfelds im Ort noch intakt, sagt Oberstaatsanwalt Michael Mächtel, Sprecher der Staatsanwaltschaft Freiburg.
Die Eltern gelten als Einheimische. Der Vater, 37, und die 47-jährige Mutter lebten viele Jahre lang in dem Ort. Sie hatten, sagt Mächtel, beide keine Arbeit. Wie am Freitagabend bekannt wurde, wurde das Kind schon als kleiner Junge vom Jugendamt betreut. "Dabei ging es um die Förderung der Entwicklung", teilte das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald mit.
Als die Polizei dem Jugendamt im vergangenen März von einer möglichen sexuellen Gefährdung des Kindes berichtet habe, sei es aus seiner Familie genommen worden, sagte ein Sprecher. Das Familiengericht habe den Schüler aber wieder nach Hause geschickt - warum, wisse er nicht. Erst im September sei er endgültig aus seiner Familie geholt worden. Von den Leuten, an die sie ihren Sohn verkauften, kassierten die Eltern jeweils mehrere Tausend Euro. Nachdem der Deal im Internet geschlossen war, vereinbarte man einen Treffpunkt im Großraum Freiburg, ein Hotel zum Beispiel.
Die Taten wurden offenbar auch noch gefilmt. Was sind das nur für Menschen? In Untersuchungshaft sitzt ein 49-jähriger Deutscher, der als Soldat beim 291. Jägerbataillon der deutsch-französischen Brigade im Elsass stationiert war. Ein 32-jähriger Spanier wurde in seinem Heimatland festgenommen, ein 37-jähriger Schweizer bei einem Aufenthalt in Österreich, ein weiterer Verdächtiger in Karlsruhe. Ein 43-jähriger Mann, in den Schwarzwald angereist aus Schleswig-Holstein, hatte Fesselutensilien in seinem Rucksack, als ihn die Polizei in Empfang nahm. Angeblich hatte er zuvor Tötungsfantasien im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch geäußert. Bei den Ermittlungen wurde auch Filmmaterial sichergestellt, das den Missbrauch eines Mädchens zeigt. Als mutmaßlicher Täter wurde der Vater identifiziert, ein 32-Jähriger aus Schleswig-Holstein. Er wurde an seinem Wohnort festgenommen.
Das LKA teilt mit, es handle sich um den schwerwiegendsten Fall von sexuellem Missbrauch von Kindern, den die Behörde jemals bearbeitet habe. Darf man darauf hoffen, dass dieser Superlativ nicht bald übertroffen wird?
Das Internet, vor allem die anonymisierte Welt des Darknet, in der auch der Schwarzwälder Fall spielt, bringt Menschen mit Neigungen der widerlichsten Art zusammen. Die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern rüsten ihre Abteilungen "Cybercrime" im Gegenzug massiv auf. Die Internet-Abteilung im Stuttgarter LKA war erste Anlaufstelle nach dem ersten Hinweis in diesem Fall. Am Freitag ging das LKA schon mit dem nächsten an die Öffentlichkeit.
Kindesmissbrauch:"Es war im Auto, es war hell, mein Bruder hatte eine rote Jacke an"
Ihr Vater hat sie regelmäßig vergewaltigt, ihre Mutter sah weg: Maria Andrea Winter ist als Kind missbraucht worden. Hier erzählt sie ihre Geschichte - und sagt, was Betroffene brauchen.
Nach einem anonymen Hinweis wurden bei einem Verdächtigen aus dem Landkreis Sigmaringen Computer, Festplatten, Handys und digitale Speichermedien sichergestellt. Dem Mann wird vorgeworfen, im Darknet ein Forum zum Download kinderpornografischer Dateien betrieben zu haben. Sigmaringen liegt am Südrand der Schwäbischen Alb, 130 Kilometer von Freiburg entfernt. Die Fälle haben nichts miteinander zu tun, sagt die Polizei.