Michalski: Die Festnahme:Chronologie einer spektakulären Flucht

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Viereinhalb Tage Angst in Deutschland: Mittlerweile sind beide Gangster aus der Aachener JVA wieder eingefangen. Eine Chronologie der Ereignisse.

Es ist Donnerstagabend. Tagesschauzeit in deutschen Wohnzimmern. Unterdessen in Aachen: Zwei Häftlinge der Justizvollzugsanstalt nutzen den günstigen Zeitpunkt. Sie greifen an der Außenschleuse einen Gefängniswärter bei der Rückkehr von einer Kontrollfahrt von hinten an und überwältigen ihn.

Nach viereinhalb Tagen ist nun auch der zweite Schwerverbrecher gefasst: Peter Paul Michalski ging den Spezialeinsatzkräften in Schermbeck in Nordrhein-Westfalen ins Netz. (Foto: Foto: dpa)

25 Minuten später kündigt das Blaulicht vor dem Gefängnis die Ankunft der Polizei an, die Ausbrecher sind allerdings schon in einem Taxi geflohen. In Kerpen wechseln die beiden Ausbrecher Michael Heckhoff (50) und Peter Paul Michalski (46) das Taxi. Der Wagen bringt sie zum Kölner Hauptbahnhof. Dort verliert sich zunächst ihre Spur. Es ist 22.30 Uhr.

Freitag: Der Tag der ersten Geiselnahme

Einen Tag später rätseln die Ermittler darüber, wie die Schwerverbrecher aus dem Gefängnis gelangen konnten und ob ihnen jemand zur Flucht verholfen hat. Sie nehmen einen Gefängniswärter fest. Die Suche nach den Flüchtigen konzentriert sich auf Köln und auf den Süden von Essen.

Michalski und Heckhoff nehmen ihre erste Geisel: Sie zwingen eine 19-jährige Schülerin, sie mit dem Auto nach Essen zu fahren. Die junge Frau hat zu wenig getankt: Auf der Ruhrbrücke im Essener Stadtteil Kettwig bleibt sie mit ihrem Wagen und den beiden Gangstern liegen. Die bewaffneten Männer flüchten zu Fuß weiter.

Samstag: Zweite Geiselnahme und Flucht im schwarzen BMW

Es ist gerade mal acht Uhr am Samstagmorgen. In Essen-Werden dringen Michalski und Heckhoff in das Haus eines Ehepaares ein. Sie haben zwei Pistolen aus der Justizvollzugsanstalt dabei. Die Männer essen, trinken, duschen in dem Haus. Sie sehen fern und bleiben bis zur Dämmerung. In der Dunkelheit bringen sie den 56-jährigen Mann und seine 53-jährige Frau dazu, sie mit ihrem schwarzen BMW nach Mülheim zu fahren. Dort dürfen die Geiseln gehen. Den BMW behalten die Verbrecher. Sie setzen ihre spektakuläre Flucht fort.

Sonntag: Festnahme von Heckhoff

Das Fluchtfahrzeug wird von der Polizei in einer Seitenstraße in Mülheim an der Ruhr entdeckt. Warum Heckhoff und Michalski den unbeschädigten BMW zurückgelassen haben, ist nicht bekannt. Um 11.03 Uhr wird Michael Heckhoff in der Nähe des abgestellten Fluchtwagens von einem Spezialeinsatzkommando überwältigt und festgenommen. Müde sieht er aus; eingefallen ist sein Gesicht.

Am Nachmittag glauben die Fahnder, ein weiteres Mal erfolgreich gewesen zu sein: Die überprüfen einen Mann, weil sie ihn für den Schwerverbrecher Michalski halten. Bei der Überprüfung stellt sich heraus, dass es sich "definitiv nicht" um Michalski handelt.

Montag: Fahnder entdecken Michalskis Tasche

SEK-Polizisten stürmen am Montagmorgen ein Hochhaus in Mülheim. Sie haben einen Tipp aus der Bevölkerung bekommen. Den Schwerverbrecher finden sie nicht, dafür eine Tasche mit Wäsche der beiden Ausbrecher. Sie verlagern ihre Suche in den Großraum Bielefeld. Michalski soll dort Verwandte oder Bekannte haben und sich gut auskennen. Über verschiedene Radiosender fordern sie Michalski auf, seine Flucht gewaltfrei zu beenden und sich zu stellen. Man sucht vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln und an Haltestellen nach ihm.

Im Video: Der flüchtige Straftäter Peter Paul Michalski ist am Dienstag vormittag im nordrhein-westfälischen Schermbeck festgenommen worden.

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Aus Ermittlerkreisen heißt es unterdessen, dass der Justizvollzugsbeamte, der Michalski und Heckhoff zur Flucht verholfen haben soll, nur aushilfsweise in der JVA Aachen arbeitete und möglicherweise erpresst oder bestochen worden sei.

Als zwei Zeugen unabhängig voneinander die Polizei rufen und sagen, dass sie den bewaffneten Gangster in Gütersloh gesehen hätten, verlagern die Einsatzkräfte ihre Suche am Abend nach Ostwestfalen.

Dienstag: Festnahme Michalskis nahe der niederländischen Grenze

Die Bild-Zeitung veröffentlicht einen Artikel, in dem vermutlich aus den Verhörunterlagen von Michael Heckhoff zitiert wird. Darin heißt es, dass die Verbrecher die Waffen und einen Abdruck des Schlüssels von einem Wärter bekommen hätten. Als Motiv soll Heckhoff schlechte Behandlung in der JVA durch die Direktion angegeben haben. Die Polizei wird von der Veröffentlichung des Zeitungsberichts überrascht. Sie geht davon aus, dass in dem Artikel Informationen verarbeitet sind, die unbefugt an die Zeitung gelangten. Die Behörde leitet ein Ermittlungsverfahren ein.

Am Dienstagvormittag wird Michalski plötzlich in der Nähe eines Landgasthofs in der 15.000-Einwohner-Gemeinde Schermbeck am Niederrhein auf einem silberfarbenen Fahrrad aufgespürt. Ein Spezialeinsatzkommando drängt den radelnden Verbrecher von der Straße ab. Er stürzt in den Straßengraben. Die Beamten überwältigen ihn. Er ist bei der Festnahme bewaffnet, weder Polizisten noch der Gangster oder andere Personen werden verletzt.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/abis/bgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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