Mexiko:Knall inclusive

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Nirgendwo liegen Ehre und Schwefel, Volksfest und Tod so nah beieinander wie in Tultepec: Immer wieder gab es dort bei Feuerwerks-Festivals Unfälle. Auch in diesem Jahr nahm die Pyroparty ein schreckliches Ende.

Von Boris Herrmann

Das Rathaus der mexikanischen Stadt Tultepec teilt in einer aktuellen Presseerklärung mit: "Verbrennung der Holztürme vor 25 000 Zuschauern ohne Zwischenfälle über die Bühne gegangen." Wenn in der selbsternannten Hauptstadt der Pyrotechnik etwas ohne Zwischenfälle abläuft, dann hat das Nachrichtenwert.

Die Holztürme ("Castillos de Torre"), um die es hier geht, sind mit Raketenrampen, Flammenrädern, Magnesiumkapseln und Schwarzpulver bestückt. Im Castillo-Wettbewerb treten mehrere Teams von Feuerwerksexperten gegeneinander an. Gewonnen hat, wer seinen Turm am schönsten sprengt. Falls eine Rakete nicht zündet, klettern Männer am brennenden Gestell hinauf und sehen nach dem Rechten. Mit dieser Show beginnt traditionell das Pyrotechnik-Festival von Tultepec. Diesmal also: keine Zwischenfälle.

Als die Pressemitteilung aus dem Rathaus rausging, waren Yesenia, 26, Kevin, 11, und Aline, 6, bereits tot. Noemi, 39, starb später mit schweren Verbrennungen im Krankenhaus. Kurz vor der offiziellen Eröffnungsfeier hatte es in einem Haus in der Nähe des Stadtzentrums eine schwere Explosion gegeben. Anwohner berichteten der Zeitung El Universal, dass sich dort eine illegale Pyro-Fabrik befunden habe. Bürgermeister Armando Portuguez eilte zum Unglücksort und beklagte die Opfer. Zwei Stunden später eröffnete er die 29. Ausgabe des Feuerwerk-Festivals.

In der Presseerklärung war von den Todesopfern keine Rede, es gab auch keinen Hinweis auf jene Explosion vom vergangenen Dezember, als der gesamte Markplatz von Tultepec in die Luft flog. Damals starben 42 Menschen. Der Platz liegt bis heute in Schutt und Asche. Ganz oben auf der Website der Stadtverwaltung steht: "Tultepec präsentiert die magische und noble Seite der Pyrotechnik." Die Mexikaner sind Meister im Erfinden von bizarren Riten und Bräuchen. An das, was sich in Tultepec, rund 35 Kilometer nördlich von Mexiko-Stadt abspielt, reicht aber kaum etwas heran: grölende Zuschauer, nächtelange Tequila-Besäufnisse und verkohlte Leichen. Nirgendwo liegen Ehre und Schwefel, Volksfest und Tod so nah beieinander. Eine Stadt im Böller-Wahnsinn.

Für die Gemeinde mit ihren rund 120 000 Einwohnern ist die Pyrotechnik nicht nur die größte Tourismusattraktion, sondern auch ihr wichtigster Arbeitgeber. Im legalen wie im illegalen Sektor. Alljährlich Anfang März richten die Fabrikarbeiter ihre neuntägigen Wettkämpfe aus - zu Ehren von San Juan de Dios, der hier als Schutzpatron der Pyrotechniker verehrt wird. Ungeachtet all jener, der er nicht geschützt hat. Das Festival endet am kommenden Samstag mit der Aufführung der sogenannten "Pyromusicals". Ein weiterer Höhepunkt ist die Parade der Toritos. Dabei werden einige Hundert selbstgebastelte Stiere aus Pappmaché entzündet. Selbstverständlich sind sie randvoll explosivem Stoff.

© SZ vom 07.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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