Mexiko:Bitte sitzen bleiben

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Noch einmal, so heißt es, könne der Gefangene nicht entkommen. Das Gefängnis Altiplano will alles tun, um El Chapo an einer Flucht zu hindern. Diesmal wirklich.

Von Boris Herrmann

Diesmal, so heißt es, könne der Gefangene Joaquín Archivaldo Guzmán Loera nicht entkommen. Wirklich nicht. Der Mann, der bis vor wenigen Tagen der meistgesuchte Drogenboss der Welt war, wird im mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis Altiplano nach Behördenangaben rund um die Uhr überwacht, von Bewegungsmeldern, Kameras und eigens für ihn abgestellten Spezialeinheiten an der Zellentür. An den Zellentüren, muss man vielleicht sagen. Wie Mexikos Regierungssprecher Eduardo Sánchez mitteilte, funktioniert die Hochsicherheitsverwahrung nach dem Rotationsprinzip. Guzmán wandert demnach in unregelmäßigen Abständen von einer Zelle in die nächste. Laut Sánchez ist er seit seiner neuerlichen Gefängniseinweisung am Freitagabend achtmal umgezogen. Es liegt auf der Hand, dass diese Maßnahme den Bau eines ausbruchtauglichen Tunnels deutlich erschwert, selbst für einen wie Guzmán, den sie ja nicht nur "El Chapo", sondern auch "den König der Tunnel" nennen. Er sitzt in der Rotationsfalle.

Er ist wieder da: El Chapo nach seiner Festnahme. (Foto: AP)

Man könnte also beruhigt schlafen in Mexiko und im Rest der Welt, wäre da nicht ein klitzekleines Problem: Bevor er im Juli vergangenen Jahres aus demselben Hochsicherheitsgefängnis spazierte, in das man ihn nun wieder einquartierte, wurde El Chapo ebenfalls 24 Stunden pro Tag kameraüberwacht und das Zellenwechsel-Prinzip gab es auch schon - zumindest in der Theorie. Es konnte dann trotzdem ein Häuschen auf freiem Feld in der Hochsicherheitszone entstehen samt einem 1,5 Kilometer langem Tunnel, der direkt unter der Dusche von Zelle 20 herauskam, aus der Guzmán (rein zufällig) schon länger nicht mehr herausrotiert worden war. Dass dann ausgerechnet im Moment des Abschieds eine Hightech-Überwachungskamera ausfiel, ein Wachposten pennte, ein Vorgesetzter nicht zu erreichen war und 43 Minuten vergingen, bis einer den Alarm auslöste? Soll nicht wieder vorkommen, heißt es von Behördenseite. Der britische Guardian zitiert den Chef der Nationalen Sicherheitsbehörde (CNS), Renato Sales, so: "Heute können sich die Bedingungen in dem Gefängnis absolut mit internationalen Standards messen lassen." Besser spät als nie, möchte man anmerken.

El Chapos Festnahme verlief offenbar turbulent - davon zeugt zumindest die Küche des Hauses, in dem er sich zuletzt aufhielt. (Foto: Susana Gonzalez/Bloomberg)

Es ist nicht nur eine Frage der nationalen Sicherheit, sondern auch der schwer angekratzten Glaubwürdigkeit von Präsident Enrique Peña Nieto, ob Mexiko seinen berühmtesten Verbrecher zumindest so lange festhalten kann, bis das angekündigte Auslieferungsverfahren in die USA abgeschlossen ist. Das kann sich locker ein Jahr hinziehen. Die Regierung hat deshalb eine Reihe von "Express-Maßnahmen" veranlasst, um Altiplano ein für alle Mal ausbruchssicher zu machen. Es kreisen jetzt Militärhubschrauber über dem Gelände, vor dem Eingang wurden Panzer postiert. Vor seiner Flucht waren drei Wächter für die Videoüberwachung von Guzmán eingeteilt, jetzt sind es zehn. Das alles kann sicherlich nicht schaden, es lenkt aber vom eigentlichen Problem ab: vom durch und durch korrupten System. 2001 und 2015 ist El Chapo ja nicht aus den angeblich besten Gefängnissen Mexikos ausgebüxt, weil es an Sicherheitsvorkehrungen mangelte, sondern weil er stets darauf vertrauen konnte, sie mit Pesos und Dollars außer Kraft zu setzen.

Auch in anderen Räumen von El Chapos Versteck herrscht nach der Festnahme Chaos. (Foto: Susana Gonzalez/Bloomberg)
© SZ vom 14.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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