Methoden der Drogenmafia:Schönheitsköniginnen schmuggeln besser

Lesezeit: 3 min

Sex, Macht, Party: Südamerikanische Erotik-Starlets und Showgirls lassen sich immer wieder mit reichen Drogenbaronen ein. Und die setzen inzwischen im Schmuggelgeschäft gezielt auf aufreizende Frauen, um Ermittler in die Irre zu führen.

Peter Burghardt, Buenos Aires

Daiana Antivero könnte Karriere machen mit ihrem Körper. "Vedette" wollte die 18 Jahre alte Argentiniern werden - so nennt man in Südamerika junge Damen, die mit reichen und berühmten Männern ausgehen und sich leicht bekleidet in Fernsehen und Zeitschriften zeigen. "Ich will es mir gutgehen lassen und mich sehr schlecht in den Armen eines Gentleman benehmen", schrieb sie auf Facebook.

Die ehemalige kolumbianische Schönheitskönigin Angie Sanclemente vor ihrer Festnahme wegen Drogenschmuggels. (Foto: REUTERS)

Daiana Antivero hat schon erotische Werbefilmchen in Unterwäsche gedreht, sie räkelt sich dabei mit Lederstiefeln auf einer Couch. Das auffällig geformte Model war auch in Hochglanzmagazinen zu sehen und in einem Klatschprogramm. In der vergangenen Woche kamen ihre Bilder und Videos dann plötzlich in den Nachrichten vor und im Polizeireport der Zeitungen. Denn das Mädchen, das berühmt werden wollte, sitzt als mutmaßliche Rauschgifthändlerin in Untersuchungshaft.

Den Fahndern ging sie bei einer Razzia im Vorort Lanús von Buenos Aires ins Netz. Die argentinische Polizei vermutet, dass Daiana Antivero zu einem Schmugglerring gehört, der weißes Pulver nach Europa bringen ließ, und zwar im Magen von Menschen. Auf ihre Spur kamen die Ermittler, als am Flughafen von São Paulo ein Transporteur über Bauchschmerzen klagte. Der Patient, ein Holländer, hatte 1,2 Kilo Kokain in 113 Kapseln geschluckt. "Mulas" heißen solche Leute, Maultiere.

Telefonkontakte führten zu Daiana Antivero und ihrem Freund aus Surinam, sie soll Flüge und Hotels für die Mulas gebucht haben. Zwei weitere Kuriere der Bande, ein Holländer und ein Deutscher, flogen danach am Terminal von Ezeiza, der argentinischen Hauptstadt, auf. Festgenommen wurde außerdem ein Nigerianer. Wie die fünf Männer wartet die mutmaßliche Logistikerin Antivero jetzt auf ihren Prozess.

Die Kaffee-Königin und das Monster

Bestätigt sich der Verdacht, dann wäre dies eine neue Folge aus der Serie Drogendealer und ihre Mätressen. Zwischen 2006 und 2008 mussten bereits zwei argentinische Models 15 Monate in Zellen von Barcelona, sie waren mit einem Berufskriminellen und 16 Kilo Kokain erwischt worden. 2009 folgte die Geschichte der attraktiven Kolumbianerin Angie Sanclemente, ehemals "Reina del Café", Kaffee-Königin. Den Titel hatte sie wieder abgeben müssen, weil sie heimlich verheiratet gewesen war, aber bei dem Schönheitswettbewerb nur Ledige mitmachen dürfen.

Dann ließ sie sich mit einem mexikanischen Mafioso mit Decknamen "El Monstruo" ein, das Monster. Auf ihre Geschäfte stießen die Ermittler, als eine hübsche Argentinierin mit 55 Kilogramm Kokain der Gang erwischt wurde. Auftraggeberin Sanclemente setzte offenbar gezielt grazile Boten ein. Sie selbst hatte nach ihrer Festnahme in Buenos Aires Angst, im Gefängnis vergewaltigt zu werden.

Und kürzlich trafen die Behörden auf das bolivianische Model Mariana Molina, vormals Karnevalsprinzessin der Stadt Santa Cruz de la Sierra und Mitglied der Gruppe "Las Magníficas". Bei ihr wurden auffällig teure Autos mit 10 000 Dollar unter dem Sitz entdeckt. Ihr Lebensgefährte war ein Kolumbianer aus dem berüchtigten Kartell Norte del Valle, der an der Entsendung von 944 Kilo Kokain nach Spanien beteiligt gewesen sein soll. Unterdessen gelten die Maße 90-60-90 als beliebte Form, Kontrolleure in die Irre zu führen. Sex, Macht, Party und schnelles Geld - eine Kombination für Kriminalfälle und Seifenopern.

Längst gibt es Bücher und Telenovelas zum Thema. Zu den Gassenfegern Kolumbiens gehörten Serien wie "Sin tetas no hay paraíso ("Ohne Brüste gibt es kein Paradies"), in denen sich gut aussehende Töchter des Landes in die Welt der Narcos verirren, der Drogenbarone. Millionen Mexikaner sitzen derweil bei "La Reina del Sur" vor dem Fernseher, der "Königin des Südens".

Vorbild ist der gleichnamige Bestseller des Spaniers Arturo Pérez Reverte über eine Narco-Braut namens Teresa Mendoza. Im richtigen Leben heißt die Hauptdarstellerin Sandra Ávila Beltrán alias "La Reina del Pacífico". Sie stammt aus der Drogenzentrale Sinaloa und ist eine Nichte des Paten Miguel Ángel Félix Gallardo, der damit begann, für Milliarden Dollar Rauschmittel aus Mexiko und Kolumbien in die USA zu schaffen.

Die wahre Sandra Ávila Beltrán wurde besungen von der Gruppe Tucanes de Tijuana, sie sitzt seit 2007 wegen illegalen Waffenbesitzes und Geldwäsche ein. Ihr Alter Ego wird gespielt von der Schauspielerin Kate del Castillo, was Mexikos Regierung unterbinden wollte, weil die Politiker die gefeierte Sendung für eine Glorifizierung der Gewalt halten. In Don Winslows grandiosem Roman "Tage der Toten" wiederum besetzt eine Edelprostituierte eine Hauptrolle zwischen den Fronten des US-mexikanischen Drogenkrieges. Auch das ist kein Zufall.

Nun erlebt also Daiana Antivero aus Argentinien ein weiteres Kapitel dieser Realityshow. "Ich bin unschuldig, ich bin bald in Freiheit", glaubt sie. Die Justiz glaubt das nicht.

© SZ vom 18.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: