Meistgesuchte Terroristen der USA:Polizistenmörderin erste Frau auf Fahndungsliste des FBI

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Seit mehr als 30 Jahren auf der Flucht: Joanne Chesimard, alias Assata Shakur. (Foto: REUTERS)

Seit fast 30 Jahren ist Joanne Chesimard auf der Flucht. Jetzt hat das FBI die verurteilte Polizistenmörderin als erste Frau auf die Liste der meistgesuchten Terroristen der USA gesetzt. Doch es gibt Zweifel an ihrer Schuld.

Von Johanna Bruckner

Das Verbrechen, das Joanne Chesimard zur Last gelegt, wird liegt bereits vier Jahrzehnte zurück. Am 2. Mai 1973 war die damals 25-Jährige mit zwei Bekannten in einem Auto unterwegs, als das Trio in New Jersey wegen eines Verkehrsverstoßes von zwei Beamten gestoppt wurde. Die Polizeikontrolle endete mit zwei Toten, darunter der 35-jährige Polizist Werner Foerster - er soll von Chesimard mit seiner eigenen Waffe erschossen worden sein.

1977 wurde die junge Afroamerikanerin des Mordes schuldig gesprochen und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. 1979, zwei Jahre nach dem Urteil, gelang ihr die Flucht aus dem Gefängnis, seitdem wird nach ihr gesucht. Jetzt, zum 40. Todestag von Werner Foerster, verstärkt die Bundespolizei FBI ihre Bemühungen, Chesimard doch noch ihrer Strafe zuzuführen: Das Kopfgeld für die heute 65-Jährige, die auch unter dem Namen "Assata Shakur" bekannt ist, wurde auf zwei Millionen US-Dollar verdoppelt. Und sie wurde auf die Liste der meistgesuchten Terroristen der USA gesetzt - als erste Frau.

Doch ob diese Maßnahmen tatsächlich helfen, die Flüchtige zu fassen, erscheint fraglich. Denn das FBI weiß seit Jahrzehnten, wo sich das ehemalige Führungsmitglied der sogenannten "Black Liberation Army", einer Splittergruppe der "Black Panther Party", befindet. Nach ihrer Befreiung durch Gesinnungsgenossen war Chesimard 1984 nach Kuba geflohen, wo sie Fidel Castro unter seinen Schutz gestellt hatte.

Mit Gewalt zu mehr mehr Rechten

Die Black Panther Party und später die Black Liberation Army waren Teil der afro-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 60er und 70er Jahre. Doch im Gegensatz zum Gros der Bewegung waren deren Mitglieder überzeugt, ihre Ziele nur mit Gewalt durchsetzen zu können. Auf ihr Konto gehen unter anderem mehrere Bombenattentate, von den Mitgliedern als "Zwangsenteignungen" deklarierte Raubüberfälle sowie Gefängnisausbrüche.

Insbesondere die Black Panther Party berief sich in ihren Anfängen auf linksradikale Ideen von Marx, Lenin und Mao, propagierte den Klassenkampf. Wohl auch deshalb wurde Chesimard im kommunistischen Kuba Unterschlupf gewährt. Doch nicht nur von politischen Gesinnungsgenossen bekam und bekommt die verurteilte Polizistenmörderin Unterstützung - seit Jahren gibt es Stimmen, die Zweifel an der Schuld Chesimards erheben.

Die Beschuldigte selbst hatte stets ihre Unschuld beteuert und sich als Opfer eines rassistischen Justizsystems in den USA dargestellt. In einem ihrer seltenen Interviews sagte sie 2001 einem Fernsehsender: "Ich wurde verurteilt von einem - ich will es nicht mal Gericht nennen, ich wurde verurteilt von einer Lynchjustiz, einer komplett weißen Jury."

Chesimard war bei dem Schusswechsel mit den beiden Polizisten an der Schulter getroffen worden. Ihre Anwälte hatten seinerzeit argumentiert, aufgrund dieser Verwundung sei ihre Mandantin gar nicht in der Lage gewesen, den tödlichen Schuss auf Foerster abzugeben.

"Der Vorwurf, Ms Shakur sei eine Terroristin, ist unbegründet"

"Es gibt keinen Beweis, dass sie tatsächlich den Tod des Polizisten verursacht hat oder an der Schießerei beteiligt war", sagte ihrer einstiger Anwalt Lennox S. Hinds, der heute als Professor für Strafrecht an der Universität Rutgers arbeitet, der New York Times. Er sieht die jüngste Maßnahme des FBI vielmehr vor dem Hintergrund der Bombenattentate in Boston und wirft der Polizei vor, diese auszunutzen, um Stimmung gegen seinen frühere Mandantin zu machen: "Der Vorwurf, Ms Shakur sei eine Terroristin, ist unbegründet." Sie als solche zu bezeichnen, sei ein Versuch, die Bevölkerung aufzuhetzen, die mit den Fakten möglicherweise nicht vertraut sei.

Das FBI hingegen bleibt bei der Version der Ereignisse, die seinerzeit zur Verurteilung führte: Demnach schoss Chesimard/Shakur zuerst und traf den Polizisten tödlich. "Chesimard ist eine inländische Terroristin, die einen Polizeibeamten im Hinrichtungs-Stil ermordet hat", sagte der leitende FBI-Beamte Aaron Ford bei einer Pressekonferenz. Sie halte nach wie vor Reden, in denen sie zur Revolution und Terrorismus gegen die USA aufrufe. "Sie ist eine Gefahr für die amerikanische Regierung", begründete er den Schritt, Chesimard auf die Liste der meistgesuchten Terroristen zu setzen.

Auch die Witwe des erschossenen Polizisten Foerster ist nach wie vor von der Schuld Chesimards überzeugt: "Ich hoffe, sie fassen sie", sagte die mittlerweile 72-jährige Rosa Foerster der New York Times. "Sie ist immer noch hier. Sie hat ihre Freiheit, aber ich habe meinen Ehemann nicht mehr."

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