Organspende:Eingeschränkte Moral

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Wenn die Transplantationsmedizin, deren internationale Geschichte voller dunkler Kapitel ist, ein besonders dunkles Kapitel hat, dann ist das China. (Foto: dpa)

Björn Nashan, einer der höchsten deutschen Transplantations-Funktionäre, operiert jetzt ausgerechnet in China. An einer Klinik, wo viele Jahre lang Organe von Hingerichteten transplantiert worden sind.

Von Christina Berndt

Wo nur steckt Björn Nashan? Das fragte sich die Szene der Transplanteure schon eine Weile. Vor knapp einem Jahr hatte der Chirurg das Uniklinikum Hamburg-Eppendorf verlassen müssen, wo er zehn Jahre lang Lebern und Nieren transplantiert hatte. Der Grund? Herrischer Führungsstil und unüberbrückbare Differenzen mit Kollegen, hieß es. Nun ist der Transplanteur wieder aufgetaucht. Und zwar ausgerechnet in China.

Wie der Darstellung chinesischer Medien zu entnehmen ist, die sich über den wahlweise "blonden", "goldenen" oder strahlend lächelnden "High-End-Mediziner" aus Deutschland freuen, arbeitet Nashan neuerdings an einem Krankenhaus in der östlichen Provinz Anhui. An der Klinik wurden viele Jahre lang Organe von Hingerichteten transplantiert, wie dies in China zuletzt 5000 Mal pro Jahr vorkam. Inzwischen will das Hospital diese Praxis eingestellt haben - "wegen der Einschränkung traditioneller Moral und Ethik" - so steht es auf der Homepage.

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Bislang waren Hingerichtete in China automatisch Organspender. Das soll sich nach Angaben von offiziellen Stellen nun ändern. Aber stimmt das? Kritiker sprechen von einer Verschleierungstaktik - bei der zahlungskräftige Patienten aus dem Westen eine große Rolle spielen.

Von Christina Berndt

Björn Nashan ist nicht irgendein Transplanteur. Im eng verzahnten Kungelbetrieb der Transplantationsmedizin, wo Ämterhäufungen üblich sind, vereint er so viele wichtige Posten auf sich wie sonst kein anderer. So war er bis 2016 Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) und wirkt als "Past President" noch in deren erweiterten Vorstand. Zugleich ist er Stiftungsratsvorsitzender der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Vorstandsmitglied bei der Organ-Verteilungsstelle Eurotransplant und stellvertretender Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation (Stäko) bei der Bundesärztekammer, die über Verteilungsregeln von Spenderorganen entscheidet. Jetzt treibt diese Organisationen die Frage um: Wollen sie so einen noch in einer so verantwortungsvollen Position haben? Einen Transplanteur aus China?

Noch sei zu wenig über die Hintergründe bekannt, um Entscheidungen zu treffen, sagt Gertrud Greif-Higer, Vorsitzende der DTG-Ethikkommission. Aber eines sei sicher: "Es muss unbedingt Transparenz herbeigeführt werden." Die Stäko ergänzt, man werde sich in einer Sitzung an diesem Dienstag mit diesen Fragen befassen. Eurotransplant wartet auf ein Signal der DTG, und die DSO schweigt erst einmal lieber.

Wenn die Transplantationsmedizin, deren internationale Geschichte voller dunkler Kapitel ist, ein besonders dunkles Kapitel hat, dann ist das China. Dort war es jahrzehntelang nicht nur gang und gäbe, Hingerichtete als Organspender auszuschlachten. Mitunter wurde zum Tode Verurteilten auch quasi auf Bestellung das Leben genommen - etwa dann, wenn ein westlicher Funktionär beeindruckt werden sollte, oder um einem Patienten aus dem Westen, der mit viel Geld einreiste, fristgerecht ein Organ zu liefern. Etwa seit dem Jahr 2015 gilt diese Praxis allerdings selbst in China nicht mehr als zeitgemäß.

"Sie wissen nie, welche Organe sie da transplantieren."

Darauf beruft sich auch Björn Nashan. "Wir haben es hier mit einem kompletten Bruch mit bisherigen Strukturen und einem Neuanfang zu tun", teilt er der SZ auf Anfrage mit. Auch um die Glaubwürdigkeit zu stärken, habe man ihn an die Klinik geholt. Seine Aufgabe sei es, "ein Transplantationszentrum nach westlichem Modell" aufzubauen. Chinesischen Berichten zufolge will er das "First Affiliated Hospital of the University of Science and Technology of China" zu einem der führenden Transplantationszentren des Landes machen.

Für ehrgeizige Projekte aber werden weiterhin fragwürdige Methoden genutzt, warnen Beobachter. "Das Problem ist nicht gelöst", sagt Huige Li, Professor an der Universität Mainz und wissenschaftlicher Beirat der "Ärzte gegen erzwungene Organspende", kurz DAFOH. Mitunter würden Gefangenen noch stets Organe entnommen, nur müssten sie jetzt vor ihrer Hinrichtung zustimmen. Auch verbiete - anders als oft kolportiert - kein Gesetz diese Praktiken.

Weitere zweifelhafte Aktionen kommen bei Spenden der Bevölkerung hinzu. So erhalten Familien hohe Geldbeträge für die Organe ihrer Angehörigen. "Für Menschen vom Land ist das oft das Mehrfache ihres Einkommens", sagt Arne Schwarz, der sich gegen die Verwendung von Organen Hingerichteter engagiert. Es überrascht daher nicht, dass die Spender überwiegend vom Land kommen, wie das Rote Kreuz moniert. Welche Klinik aber wie viele Organe verpflanzt, bleibt im Dunkeln. "Und die große Frage ist natürlich: Was könnte es für Gründe geben, dass sie das nicht öffentlich machen?", fragt Schwarz. Für Huige Li steht jedenfalls fest: "Westliche Mediziner sollten nicht so sorglos in China arbeiten. Sie wissen nie, welche Organe sie da transplantieren."

© SZ vom 30.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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