Lübeck:Mitarbeiter des Weißen Rings soll Frauen sexuell belästigt haben

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Der Weiße Ring ist ein gemeinnützige Verein, der sich um Kriminalitätsopfer und ihre Familien kümmern soll. (Foto: Jens Büttner/dpa)
  • Der ehemalige Leiter der Lübecker Außenstelle des Weißen Rings soll Frauen, die bei dem Verein Hilfe suchten, sexuell belästigt haben.
  • Gegen den Mann liegen der Staatsanwaltschaft zwei Anzeigen inklusive eidestattlicher Versicherungen vor.
  • Die Opferhilfe in Lübeck gibt an, schon länger von ähnlichen Vorwürfen gegen den 73-Jährigen gewusst zu haben.

Zwei Frauen suchten Hilfe beim Weißen Ring in Lübeck - der gemeinnützige Verein soll sich um Kriminalitätsopfer und ihre Familien kümmern. Doch offenbar wurden die beiden Frauen genau dort nochmals zum Opfer. Unabhängig voneinander werfen die 40 und 50 Jahre alten Frauen dem früheren Leiter der Lübecker Außenstelle des Weißen Rings vor, sie sexuell belästigt und genötigt zu haben, wie die Lübecker Nachrichten und das Magazin Der Spiegel berichten. Demnach liegen seit dieser Woche der Staatsanwaltschaft die Anzeigen vor.

Der mittlerweile 73-Jährige wies die Vorwürfe zurück. "Das ist ehrverletzend und widerlich", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Er wisse von keiner Anzeige, habe aber selbst Anzeige wegen Verleumdung und übler Nachrede erstattet. Für den Weißen Ring habe er weit mehr als 1000 Fälle betreut.

Die Spitze des Weißen Rings in Schleswig Holstein zog an diesem Samstag allerdings Konsequenzen. Uwe Döring, Landesvorsitzender der Opferhilfe und früherer Justizminister in Schleswig-Holstein, ist von seinem Posten zurückgetreten - ebenso sein Stellvertreter Uwe Rath. Er wolle Schaden vom Weißen Ring abwenden, sagte Döring.

Erst als eine Polizistin sich beschwert, trennt man sich von dem Mitarbeiter

Insgesamt werfen etwa zehn bis zwölf Frauen laut Döring dem damaligen Mitarbeiter vor, sie sexuell belästigt oder bedrängt zu haben. Döring wandte sich gegen den möglichen Eindruck, der Landesvorstand habe zu spät reagiert. Die ersten Belästigungsvorwürfe seien im November 2016 erhoben worden. Damals habe man entschieden, dass der Mann Frauen, die Opfer von Sexualstraftaten geworden sind, nicht mehr beraten dürfe.

Nachdem im Juli 2017 eine Polizistin belästigt worden sei, sei der Mann aufgefordert worden, freiwillig zu gehen - andernfalls würde er entlassen. Er habe ab sofort keine Beratungstätigkeit mehr ausüben dürfen. Das tatsächliche Ausscheiden aus dem Weißen Ring habe sich wegen Übergabemodalitäten bis zum November 2017 hingezogen.

Bei der betroffenen Frau handelt es sich um eine Angestellte der Polizeidirektion Lübeck. "Der Leiter der Polizeidirektion Lübeck hat die Beschwerde dieser Frau als Anzeige gewertet und im Juli 2017 der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Lübeck übersandt", teilte ein Sprecher der Polizeidirektion Lübeck mit. Bereits im November 2016 sei das zuständige Kommissariat angewiesen worden, keine Opfer sexualisierter Gewalt mehr an den Weißen Ring Lübeck zu überweisen

Die zwei Frauen, die unabhängig voneinander Anzeige erstatteten, untermauerten laut Lübecker Nachrichten ihre Aussagen mit eidesstattlichen Versicherungen. Danach sollen sie in Beratungsgesprächen sexuell belästigt worden sein. Der leitende Mitarbeiter des Weißen Rings habe ihnen zudem empfohlen, als Prostituierte zu arbeiten. Laut Spiegel soll sich der Mann vor einer Frau entblößt haben. Hinweise auf ein Fehlverhalten des Beraters gegenüber Frauen sollen, wie der Spiegel berichtete, schon 2012 bei der Lübecker Polizei und der Beratungsstelle Lübecker Frauennotrufeingegangen sein.

Döring betonte, die Hinweise von 2012 hätten nicht mit sexueller Belästigung zu tun gehabt. Auf die Frage, ob für eine Bewertung des Verhaltens des früheren Mitarbeiters nicht erst die juristischen Verfahren abgewartet werden müssten, antwortete Döring: "Wenn zehn oder zwölf Frauen unabhängig voneinander den Vorwurf sexueller Belästigung erheben, ist ein solcher Mitarbeiter für den Weißen Ring untragbar. Hätte ich von dem Umfang der Vorwürfe gewusst, hätte der Weiße Ring sich von dem Mann innerhalb einer halben Stunde getrennt."

Die Bundesvorsitzende des Weißen Rings, Roswitha Müller-Piepenkötter, zeigte sich erschüttert: "Wir bedauern zutiefst das Leid, das er diesen Frauen verursacht hat." Er habe "Menschen, die bereits Opfer waren, erneut zu Opfern gemacht". Das Fehlverhalten des Mannes sei ein Angriff auf das Engagement der mehr als 3000 ehrenamtlichen Mitarbeiter des Weißen Rings. Die Opferhelfer leisteten hervorragende Arbeit. Auf diese Arbeit drohe das massive Fehlverhalten eines einzelnen nun einen Schatten zu werfen, sagte die Bundesvorsitzende. Wie tief verankert dennoch das Vertrauen in den Weißen Ring sei, zeige, dass die Opfer des früheren Lübecker Mitarbeiters auch weiterhin die Unterstützung von Opferhelferinnen des Vereins in Anspruch nehmen würden.

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