Hilfe nach der Flut:Tausende vermisst, Chaos bei Rettungsarbeiten

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Große Teile von Darna sind zerstört. (Foto: Jamal Alkomaty/dpa)

Drei Tage nach der Katastrophe ist die Lage noch immer chaotisch. Allein in der am meisten betroffenen Stadt Darna sollen 5000 Menschen gestorben sein. Hunderte nicht identifizierte Leichen wurden in Massengräbern bestattet. Die internationale Gemeinschaft bemüht sich um schnelle Hilfe.

In Libyen gehen nach den katastrophalen Überschwemmungen die Aufräum- und Bergungsarbeiten nur schleppend voran. Weil viele der betroffenen Gebiete komplett von der Außenwelt abgeschnitten sind, die Stromversorgung stark beeinträchtigt ist und es vielerorts keinen Handyempfang mehr gibt, ist die Koordination der Helfer kompliziert.

Sie wird zusätzlich erschwert durch die Tatsache, dass Libyen de-facto ein in Ost und West geteiltes Land ist. Zwei rivalisierende Regierungen bekämpfen sich seit Jahren und alle internationalen Bemühungen, den Konflikt beizulegen, waren bisher erfolglos. Das politische Chaos wirkt sich auch negativ auf die Katastrophenhilfe nach der Flut aus. Die britische BBC zitiert einen libyschen Journalisten, der beklagt, dass es insbesondere zu Anfang keinerlei Absprache zwischen beiden Landesteilen gegeben habe.

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Die Behörden wissen derzeit nicht einmal genau, wie viele Menschen infolge des Unwetters gestorben sind. Allein in der Hafenstadt Darna, wo die Überschwemmungen besonders verheerend waren, sollen 5300 Menschen in den Tod gerissen worden sein. Unabhängig bestätigen lässt sich diese Zahl nicht. Die Angaben stammen von zwei Vertretern der ostlibyschen Regierung, einem Sprecher des Innenministeriums, der sich über eine Nachrichtenagentur äußerte, und dem Luftfahrtminister Hichem Abu Chkiuat, der die Zahl am Mittwoch wiederholte.

Drei Tage ist es inzwischen her, dass Sturmtief Daniel, das zuvor auch in Griechenland gewütet hatte, das nordafrikanische Libyen erfasst hat. Viele Opfer lägen noch unter Trümmern verschüttet oder seien ins Meer gespült worden, sagte der Minister, der die Unglücksregion zuvor besucht hatte. "Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass 25 Prozent der Stadt verschwunden sind", so Abu Chkiuat.

Darna ist deshalb so schwer betroffen, weil in der Nacht von Sonntag auf Montag zwei Stammdämme brachen und ganze Stadtviertel weggerissen hatten. Dazu passt, dass auch zwei weitere Zahlen, die von Hilfsorganisationen kommen, sich allein auf die Stadt beziehen, in der vor dem Unglück etwa 100 000 Menschen lebten.

Nach Angaben des Roten Kreuzes gelten etwa 10 000 Menschen in der Stadt als vermisst. Die Hoffnung, noch Lebende unter Trümmern zu finden, schwindet allmählich. Auf etwa 72 Stunden taxieren Rettungsexperten die Zeit, in der ein Mensch ohne Wasser auskommen kann. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) berichtet, dass mehr als 30 000 Menschen in Darna obdachlos geworden sind.

In weiteren Städten im Osten des Landes dürften weitere Todesopfers zu beklagen sein, und Menschen, die ihr Zuhause verloren haben. Mehr als 3000 Leichen sind in Libyen bisher beerdigt worden. Hunderte unidentifizierte Tote seien in Massengräbern bestattet worden, heißt es von der libyschen Regierung.

Helfer des Libyschen Roten Halbmonds in Derna. (Foto: Libysches Rotes Kreuz/Reuters)

Videos in sozialen Medien zeigten Fahrzeugkolonnen, die Tote abtransportierten. Auf Drohnenaufnahmen sieht man, wie ganze Straßenzüge Darnas in meterhohem Schlamm versunken sind. Helfer suchen unter den Erdmassen nach Überlebenden. Der Bürgermeister von Schahat, einer Stadt, die etwa 80 Kilometer westlich von Darna liegt, sprach von etwa 20 000 Quadratkilometern überfluteter Gebiete - eine Fläche etwa so groß wie Sachsen-Anhalt.

Die internationale Gemeinschaft bemüht sich um schnelle Hilfe für die Überschwemmungsopfer. Ein Sprecher des UN-Generalsekretärs António Guterres sagte, man arbeite mit lokalen, nationalen und internationalen Partnern zusammen, "um den Menschen in den betroffenen Gebieten dringend benötigte humanitäre Hilfe zukommen zu lassen". Die Europäische Union hat ihr Katastrophenschutzverfahren aktiviert und koordiniert Hilfsangebote aus verschiedenen EU-Ländern.

Hilfe kommt auch aus Deutschland, nach dem Libyen ein entsprechendes Hilfeersuchen gestellt hat. Das Technische Hilfswerk liefert Zelte, Feldbetten, Decken und Stromgeneratoren. Die Entsendung eines Hilfsteams ist aber bisher nicht geplant.

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