Lehrer-Mord aus verschmähter Liebe:Schüler sollte in die Klinik

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Im Bremer Prozess um den Mord an einer Lehrerin hat der Schuldirektor jede Mitschuld von sich gewiesen: Den verliebten, suizidgefährdeten Täter wollte er aus dem Unterricht entfernen.

Lange Zeit hält der Schuldirektor den jungen Mann, der später seine frühere Lehrerin töten sollte, für selbstmordgefährdet. Ein Sonderling zwar, aber für andere harmlos. Das ändert sich im März 2009 - neun Monate, bevor der 21-Jährige die 35-jährige Frau auf der Straße vor ihrer Wohnung in Bremen ersticht. Zuvor stellt der Direktor einen Antrag beim sozial-psychiatrischen Dienst, den Schüler in eine Klinik einzuweisen. Dies habe das Amtsgericht aber abgelehnt, sagte der 57-Jährige am Donnerstag vor dem Landgericht aus.

Bilder und Kerzen stehen am 19. Dezember 2009 am Gymnasium in Osterholz-Scharmbeck und erinnern an die Lehrerin, die in Bremen von einem 21-jährigen Schüler erstochen worden war. (Foto: AP)

Dort muss sich der 21-Jährige seit Mitte Juni wegen Mordes verantworten. "Er war ein extrem schwer zugänglicher Schüler. Er wirkte immer vereinsamt", sagte der Leiter des Gymnasiums in Osterholz-Scharmbeck. Dass der Schüler der jungen Lehrerin etwas antun könnte, habe er damals nicht befürchtet. "Ich habe eine Gefährdung der Lehrerschaft insgesamt gesehen."

Im Dezember 2007 habe der Schüler der jungen Biologie- und Chemie-Lehrerin erstmals erzählt, dass er sich umbringen wolle. "Er ist daraufhin einer Therapie zugeführt worden, die ihn begleiten sollte. Wir hatten die Hoffnung, etwas ändern zu können." Doch mittlerweile ist offensichtlich, dass der Schüler in seine Lehrerin verliebt ist. In einem elektronischen Tagebuch, das die Ermittler nach ihrem Tod fanden, beschrieb sie, dass er immer zudringlicher wurde, sie vor dem Lehrerzimmer abfing und ihr E-Mails schickte. "Sie hat gesagt: 'Ich kann ihn nicht mehr unterrichten, das wird für mich zu belastend'", erinnerte sich der Schulleiter.

Gemeinsam entscheidet man sich für eine Übergangslösung: Der Schüler verlässt den Bioethik-Kurs und bekommt Material, um selbstständig lernen zu können. Bei Besprechungen mit der Lehrerin sollen andere Kollegen anwesend sein. So stellte es der Direktor vor Gericht dar.

Das Protokoll der Lehrerin liest sich dagegen anders: Danach habe der Vorgesetzte sie angewiesen, dem Schüler Einzelunterricht zu geben. Am Ende des Schuljahrs nimmt der Direktor den jungen Mann dann aus dem Kurs. Damit scheint das Problem geregelt - bis es im März 2009 zu dem Amoklauf an der Realschule in Winnenden kommt. Zeitgleich liest der Schulleiter eine Facharbeit des Schülers, die ihn aufschreckt. Er informiert die Behörden. Der junge Mann sei daraufhin ausgerastet. "Er hat jeglichen Kontakt zu mir abgebrochen, ist nicht mehr in der Schule erschienen."

Später erfahren die Lehrer, dass ihr ehemaliger Schüler zur Bundeswehr gegangen ist. Die junge Pädagogin rettet das jedoch nicht. Monatelang schmiedet der Gekränkte unbemerkt Mordpläne. Kurz vor Weihnachten sticht er zu, wieder und wieder.

Die Eltern der Lehrerin erheben heute schwere Vorwürfe gegen den Schulleiter. Er habe ihre Tochter nicht ausreichend unterstützt und sogar daran gehindert, den Schüler wegen Stalkings anzuzeigen. Zwei Lehrer haben außerdem Dienstaufsichtsbeschwerden gegen den 57-Jährigen bei der Landesschulbehörde in Lüneburg eingereicht.

© dpa/Irena Güttel/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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