Kuba:Ich bin schon da!

Lesezeit: 3 min

Erst die Stones, dann Karl Lagerfeld und jetzt das erste US-Kreuzfahrtschiff seit mehr als 50 Jahren: Nach der politischen Öffnung von Kuba herrscht Goldgräberstimmung unter internationalen Investoren.

Von Peter Burghardt

Karl Lagerfeld war schon da, als dieses Schiff kam. Am Sonntag sah sich der Designer in Havanna eine Ausstellung mit seinen Fotos an, am Dienstag beginnt die Show von Chanel auf dem Paseo del Prado im alten Zentrum. Am Montagmorgen lief die Adonia ein, das erste US-Kreuzfahrtschiff in einem kubanischen Hafen seit Jahrzehnten. Kann es kurz nach Barack Obamas Besuch bei Raúl Castro deutlichere Zeichen geben, dass sich auf Kuba der Jetset einfindet?

Eine komplette Neuentdeckung der Insel ereignet sich jetzt natürlich nicht, die grandiose bis morbide Kulisse ist schon länger en vogue. Wim Wenders ließ kurz vor der Jahrtausendwende den Buena Vista Social Club aus den Ruinen auferstehen, und 1998 glänzte Harper's Bazaar mit 18-seitigen Inselbildern mit Naomi Campbell und Kate Moss. Das missfiel den Behörden in Washington, die das Magazin mit 31 000 Dollar Strafgeld zur Kasse baten, weil der Verlag gegen den Wirtschaftsboykott des Feindes verstoßen hatte. Es waren die Zeiten, als Kuba noch irgendwie verboten und deshalb umso spannender war. Beyoncé und Jay Z bekamen anlässlich ihres Ausflugs zum Hochzeitstag noch vor drei Jahren Ärger. Leonardo DiCaprio musste sich vom kubanischen Kulturminister einladen lassen und erklärte: "Ich bin hier, um zu verstehen, wie jeder andere."

Solche Verrenkungen sind jetzt nicht mehr nötig. Das nordamerikanische Veto neigt sich dem Ende entgegen, seit Großkapitalisten und Restkommunisten 2014 ihre Botschaften wieder geöffnet haben und sich die Staatschefs begegnen wie Amigos. Inzwischen findet eher ein Wettlauf der Kubafahrer statt: Wer schafft es früher? Noch immer bietet dieses Freiluftmuseum die Kulisse eines sehr alten und realen Films. Kuba ist eines der seltenen Ziele ohne McDonald's, Apple-Store und Coca-Cola-Reklame. Stattdessen lässt sich eventuell noch ein ausgebleichtes "Venceremos" (Wir werden siegen) oder "Patria o muerte" (Vaterland oder Tod) erwischen. Die Exotik, das Klima, das Licht, die koloniale und sozialistische Architektur, die vorrevolutionären Straßenkreuzer, die Menschen, die Musik - da wollen nun alle hin, am liebsten noch zu den Lebzeiten von Fidel Castro, der fast 90 ist. Touristen, Unternehmer, Schauspieler, Musiker, Modemenschen und wer noch so alles Geschmack hat, romantisch ist oder Geschäfte machen will.

Ein historischer Moment: Einige Kubaner begrüßen das erste amerikanische Kreuzfahrt-Schiff seit Jahrzehnten an der Malecón von Havanna. (Foto: Adalberto Roque/AFP)

Die Rolling Stones kamen gleich nach Obama und brachten Havanna an Karfreitag gratis in Wallung. Noch davor wurde Major Lazer vorstellig, die US-Combo vergnügte sich und ihr Publikum auf der antiimperialistischen Plattform José Martí, die von den Castros einst als Protestbühne gegen die USA geschaffen worden war und gleich neben der US-Vertretung an der Uferpromenade Malecón liegt. "Das war absolut crazy", berichtete Wesley Pentz alias Diplo nachher. "Energy, so viel energy."

Paris Hilton ließ sich im Februar 2015 vor jenem Hotel fotografieren, das 1958 ihr Opa eingeweiht hatte. Es hieß damals Habana Hilton, seit der Revolution 1959 heißt die Herberge Habana Libre, freies Havanna. Annie Leibovitz kam mit Rihanna für Vanity Fair zur Fotosession ins Viertel Cerro und ins Restaurant La Guarida im halb zerfallenen Centro Habana, bekannt aus dem Film "Fresa y chocolate". Teil acht der US-Actionserie "The Fast and the Furious" wird in der kubanischen Hauptstadt gedreht, crashfreudige Buicks und Cadillacs gibt es genügend. Der Darsteller Vin Diesel ist ganz berauscht: "Wir sind dort, wo niemand gedacht hätte, dass wir da irgendwann sein würden: Havanna, Kuba!"

Auch Edelschneider oder Schuhmacher aus emigrierten Familien wie Narciso Rodríguez, Isabel Toledo oder Alejandro Ingelmo entdecken die Heimat wieder, seit sich dieser Teil des Kalten Krieges endlich so rasant erwärmt. "Ich habe in Kuba gelernt, Farben und Atmosphäre zu sehen", erzählte Isabel Toledo der New York Times. "Ich habe früher nie über Kuba gesprochen. Jetzt, denke ich, ist es vielleicht Zeit."

Aspen - das war gestern. Wer heute was erleben will, reist nach Havanna

Mode-Invasion: Karl Lagerfeld vor der Premieren-Schau in Havanna. (Foto: Alejandro Ernesto/dpa)

Selbst manch entschlossene Exilkubaner freunden sich mit der Wende an. Die Sängerin Gloria Estefan, 1957 in Havanna geboren und mit ihren Eltern während Castros Triumph in die USA geflüchtet, findet die Auftritte von Lagerfeld und Chanel in ihrer Geburtsstadt gut. Wobei ihr Lob leicht vergiftet klingt, jedenfalls nicht wie ein Lob für Raúl Castros Reformen. Lagerfeld in Havanna? "Das ist wunderbar", sprach sie bei der Actors Fund Gala am Broadway. "Je mehr Leute da hingehen und die freie Welt zeigen, desto großartiger ist das für die Kubaner." Schließlich sei Kuba in der Zeit vor den Castros in Trainingsanzügen "ein sehr, sehr elegantes Land gewesen", erinnert sich Estefan. Andere würden sich wünschen, dass Kuba trotz der Öffnung nicht in die Zeit zurückkippt, als Mafiosi wie Meyer Lansky hier ihre Räuberhöhlen hatten und das halbe Land ein Casino der USA war.

Selbst Donald Trump verkündete kürzlich, dass Kuba "gewisses Potenzial" habe. Google will ein Technikzentrum auf dem Eiland eröffnen, auch Starwood und Airbnb starten durch. Eine Million Besucher waren in den ersten zweieinhalb Monaten 2016 auf Kuba, und schon 2015 machten viele Kreuzfahrer hier Station. Um neun Uhr Ortszeit war es am Dienstag dann so weit: Die schneeweiße Adonia der US-Gesellschaft Carnival, am Sonntagnachmittag in Miami gestartet, erreichte den Terminal "Sierra Maestra" von Havanna. An Bord: 704 Passagiere, darunter Reisende, die mehr als ein halbes Jahrhundert auf so eine Schiffspassage aus Florida gewartet hatten. Ein Yacht-Betreiber in North Palm Beach warb bereits vor Monaten für Neujahrstrips nach Kuba, zur Revolutionsfeier: "Rufen Sie heute an, damit Sie nicht wieder nach Aspen fahren müssen."

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken
OK