Prozessbeginn:Vater zehn Jahre nach Tod des Sohnes vor Gericht

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Der Angeklagte im Mordprozess wartet im Saal des Landgerichts auf den Prozessbeginn. (Foto: Bernd Wüstneck/dpa)

Der mutmaßliche Mord an einem Zweijährigen in Schwerin war lange unentdeckt geblieben. Nun, zehn Jahre nach der Tat, steht der Vater vor Gericht - und schweigt. So blieben zu Prozessbeginn viele Fragen offen.

Von Frank Pfaff, dpa

Schwerin (dpa/mv) - Hochaufgeschossen, schlank, bekleidet mit einem dunklen Kapuzenshirt, betritt der 50-Jährige den Gerichtssaal in Schwerin. Die Haare an den Seiten kurz, oben zu einem hippen Zopf gebunden. So sehen Väter aus, die mit ihren Söhnen zum Fußball gehen, oder sich unter dem Basketballkorb ehrgeizig um den Ball streiten.

Doch solchen gemeinsamen Erlebnissen, die den Alltag einer Familie bereichern und das Band zwischen den Generationen enger knüpfen, hatte der gebürtige Hamburger der Anklage zufolge ein vorzeitiges Ende gesetzt. Demnach war sein Sohn gerade zwei Jahre alt, als er ihn am 30. Januar 2013 in sein Auto packte, in einen Wald südlich von Schwerin fuhr, dem Kind eine Decke auf das Gesicht drückte, bis der kurze Todeskampf zu Ende war.

So beschreibt die Staatsanwaltschaft am Dienstag bei der Verlesung der kurz gehaltenen Anklage die unfassbare Tat, die lange Jahre unentdeckt und damit ungesühnt blieb. Der nun wegen Mordes angeklagte Vater habe gesehen, wie das angeschnallte Kind mit Armen und Beinen zappelte. Er habe abgelassen, als keine Regung mehr zu vernehmen war. Dann habe er den kleinen Leichnam im Wald abgelegt und mit Erde und Laub bedeckt.

Die Anklagebehörde ist sich sicher, dass der jüngere der beiden Söhne sterben musste, weil er offenbar den Plänen der damals in Schwerin lebenden Familie im Wege stand, nach Spanien auszuwandern. Der Vater habe das kleine Kind zunehmend als „anstrengend und nervend“ empfunden, hießt es in der Anklage. Viel mehr ist am ersten Prozesstag nicht zu erfahren.

Der Angeklagte lässt über seine Anwälte mitteilen, dass er sich weder zur Tat noch zu seinen aktuellen persönlichen Verhältnissen äußern wolle. Und auch die Anwälte der Mutter und des heute 21-jährigen Bruders, die im Prozess als Nebenkläger auftreten, äußern sich nur zurückhaltend: „Wir sind hier, um die Wahrheitsfindung zu unterstützen, um herauszufinden, wann und wie das Kind unserer Mandantin ums Leben gekommen ist“, sagte Anwalt Ingo Bott.

Es gehe darum, Rechtsfrieden zu schaffen und einen Abschluss zu finden. Die Frau lebe wieder in Deutschland, bestätigte Bott. Wie lange sie mit dem Vater des Kindes zusammengelebt hat und wann sie vom Tod des Sohnes erfuhr, dazu wollte Bott mit Verweis auf den laufenden Prozess nichts sagen.

So blieben zunächst auch die Fragen offen, wann der Leichnam gefunden wurde und warum der Tod des Jungen den Ermittlungsbehörden erst im Jahr 2020 bekannt wurde. Laut Staatsanwaltschaft hatte der nach eigenen Angaben zuletzt in der Schweiz lebende Vater den deutschen Behörden gegenüber erklärt, gemeinsam mit seinem Sohn dauerhaft im Ausland zu leben. Im November 2022 habe er die Tötung des Kindes dann aber zugegeben, nachdem er mit dem Tatvorwurf konfrontiert wurde, hieß es. Seitdem sitzt er in Bützow (Landkreis Rostock) in Untersuchungshaft. Für den Prozess sind bis September noch 14 Prozesstage angesetzt.

© dpa-infocom, dpa:230515-99-701566/4

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