Berlin:Überfälle und Verletzte: Bandenkrieg mit Clan-Beteiligung?

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Geht es um Reviere im Drogenhandel, Schutzgeld in der Rapperszene oder persönliche Ehrverletzungen? Mehrere brutale Angriffe von Dutzenden Schlägern und...

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Berlin (dpa/bb) - Geht es um Reviere im Drogenhandel, Schutzgeld in der Rapperszene oder persönliche Ehrverletzungen? Mehrere brutale Angriffe von Dutzenden Schlägern und Messerstechern am Wochenende in Berlin könnten auf einen Bandenkrieg zwischen einem arabischen Clan und einer russisch-tschetschenischen Gruppe hindeuten. Die für organisierte Kriminalität (OK) zuständige Abteilung im Landeskriminalamt (LKA) habe die drei Vorfälle an sich gezogen, um die Zusammenhänge zu prüfen, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag.

Insgesamt wurden bei den zwei Überfällen am Samstagabend in den Stadtteilen Neukölln und Gesundbrunnen und dem dritten Gewaltausbruch am Sonntagabend erneut in Gesundbrunnen elf Männer verletzt. Sechs Russen wurden festgenommen und wieder entlassen. Unter den Beteiligten waren auch „Mitglieder einer bekannten Großfamilie“, so die Polizei.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärt: „Wir haben schon länger mit derartigen Auseinandersetzungen zwischen arabischstämmigen Gruppierungen und Tschetschenen gerechnet, da letztere sich nicht mehr als Söldner anstellen lassen wollen, sondern selbst ein großes Stück vom Kuchen haben möchten.“ Für diese Männer gehöre Gewalt und Kampferprobung zur Erziehung, zum Teil seien sie selbst im Krieg gewesen. „Dass sie eine bekannte arabische Großfamilie praktisch in den eigenen vier Wänden in Neukölln heimsuchen, zeigt uns, dass sie keine Skrupel davor haben, den Kampf um lukrative Geschäftsfelder der Organisierten Kriminalität auf die Straße zu bringen.“

Die erste Schlägerei ist am frühen Samstagabend in einem Spätkauf in Neukölln ausgebrochen. Bis zu 30 Männer gehen dabei mit Messern, Fäusten, Einrichtungsgegenständen und Wasserpfeifen aufeinander los, wie die Polizei berichtet. Unter den Angegriffenen sind die Mitglieder des bekannten Clans. Fast alle Beteiligten fliehen. Nur drei Männer bleiben schwer verletzt in dem Geschäft liegen. Die Polizei fasst in der Umgebung sechs Russen im Alter von 17 bis 31 Jahren als mutmaßliche Täter. Der 31-jährige hat eine Kopfverletzung. Die Männer werden verhört und wieder entlassen. Die drei Männer im Geschäft kommen mit „teilweise schweren Kopf- und Schnittverletzungen“ ins Krankenhaus. Sie haben eine deutsche, eine libanesische und eine nicht bekannte Nationalität.

Drei Stunden später eskaliert die Gewalt im Stadtteil Gesundbrunnen nahe dem Wedding im Norden Berlins: Am großen Bahnhof Gesundbrunnen mit einem Einkaufcenter stehen fünf Männer um einen Sportwagen mit offenen Türen herum, als drei Autos herangefahren kommen. Zehn Männer springen heraus. Sie greifen die Fünfer-Gruppe mit Messern und Schlagstöcken an. Danach entkommen sie unerkannt. Zurück bleiben mehrere Russen, ein Deutscher und ein Syrer mit Platzwunden am Kopf. Einer von ihnen wurde zudem in den unteren Rücken gestochen.

Einen Tag später, der nächste Überfall erneut an dem Bahnhof: Wieder taucht eine größere Gruppe von 20 Männern auf. Sie greifen einen 31-jährigen und einen 43-jährigen Russen an. „Berliner Morgenpost“ und „Bild“ beschreiben die Szene anhand eines ihnen vorliegenden Videos. Die Schläger hätten auf Arabisch geschrien und auf die beiden Opfer eingeprügelt. „Dann läuft einer der Schläger auf den über den Asphalt kriechenden 43-Jährigen zu und rammt ihm ein Messer in den Rücken“, heißt es in der „B.Z“. Der Mann erleidet eine schwere Stichwunde im unteren Rückenbereich und diverse Schnittverletzungen und Prellungen. Der Jüngere muss mit Platzwunden am Kopf ins Krankenhaus. Die Angreifer entkommen.

Messerstiche in die Oberschenkel oder das Gesäß sind typische Verletzungen, die im kriminellen Milieu Gegnern zugefügt werden. Sie können schmerzhaft und auch gefährlich sein. Wird der Täter aber gefasst, lautet die Anklage vor Gericht meist nur auf gefährliche Körperverletzung und nicht auf versuchten Totschlag, wie es bei Stichen in den Oberkörper der Fall sein könnte.

Tschetschenische Banden spielen seit Jahren eine Rolle im kriminellen Milieu der Hauptstadt. In dem Bereich gebe es sichtbare Gewalt, hieß es vor einem Jahr im Zusammenhang mit dem Lagebild des LKA zur organisierten Kriminalität. „Die russisch-eurasische OK, das ist eine harte Nuss“, sagte damals der zuständige Abteilungsleiter Sebastian Laudan. Bei fast der Hälfte der 59 großen Ermittlungskomplexe zum Thema organisierte Kriminalität ging es um Rocker, Tschetschenen oder Mitglieder arabischstämmiger Großfamilien, die vor allem aktiv sind im Drogenhandel, der Zwangsprostitution und Schutzgelderpressung.

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