Kommunen:Wie viele Schilder sind sinnvoll? Schilderwald in Hessen

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Verschiedene Verkehrsschilder stehen an einer Baustelle im Frankfurter Stadtteil Ostend. (Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild)

Die „Lichtung des Schilderwaldes“ ist in Städten ein Dauerthema. Regelmäßig gibt es Hinweise auf womöglich unnötige Verkehrsschilder. Probleme mit Schilderklau gibt es nicht - mit einer Ausnahme.

Von Andrea Löbbecke (Wort) und Arne Dedert (Foto), dpa

Wiesbaden/Frankfurt/Darmstadt (dpa/lhe) - In der 30-Zone gilt in einer Einbahnstraße eingeschränktes Halteverbot, zudem ist wegen einer Baustelle eine Umleitung eingerichtet. Eine alltägliche Situation kann dazu führen, dass Autofahrer, Fußgänger oder Radfahrerinnen gleich mehrere Verkehrsschilder im Blick behalten müssen. Sind alle Hinweise und Vorgaben wirklich nötig? Hessische Städte durchforsten ihren Schilderwald regelmäßig. Kommunen verweisen aber auch darauf, dass Bürger vielerorts sogar noch zusätzliche Regelungen wünschten, wie eine dpa-Umfrage ergab. 

„Potenzial für eine Reduzierung der Verkehrszeichendichte ist sicherlich da“, erläuterte der Referent für Verkehr und Mobilität der Stadt Wiesbaden, Patrick Schridde. „Dieses kann jedoch aufgrund des hohen damit verbundenen Personalaufwandes nicht in vollem Umfang ausgeschöpft werden.“ Aus der Bevölkerung würden in vielen Fällen eher mehr als weniger Verkehrszeichen gefordert. Eine Reduzierung von Verkehrszeichen gehe daher häufig mit einer personalintensiven aufwendigen Diskussion mit der Öffentlichkeit einher, ergänzte Schridde.

In Wiesbaden werde unter anderem bei Verkehrsschauen alle zwei Jahre geprüft, ob alle Schilder noch sinnvoll und nötig sind, wie der Experte erklärte. Auch Hinweisen der Stadtpolizei oder aus der Bevölkerung werde nachgegangen. 

Kassel forstete bei Aktion „Lichtung des Schilderwaldes“ durch 

In Kassel gab es Anfang der 2000er-Jahre in Zusammenarbeit mit der Polizei und den Ortsbeiräten die Aktion „Lichtung des Schilderwaldes“. Dabei seien alle überflüssigen Verkehrszeichen entfernt worden, wie Stadtsprecher Michael Schwab erklärte. „Die Straßenverkehrsbehörde der Stadt Kassel geht davon aus, dass aktuell nur die notwendigen Verkehrszeichen aufgestellt sind.“ Die Kommune prüfe anlassbezogen, ob Verkehrszeichen entbehrlich geworden sind. Anlässe können demnach etwa Planungen, Prüfaufträge der Ortsbeiräte oder Ergebnisse von Begehungen sein.

Schwab berichtete von einer „spürbaren Tendenz bestimmter Akteursgruppen, grundlegende verkehrliche Probleme vorzugsweise durch Schilder lösen zu wollen“. Dies betreffe etwa Halteverbote. Nach seinen Worten plant Kassel für einen besseren Überblick eine digitale Verkehrszeichendatenbank.

Frankfurt blickt bei Suche nach einfachen Regelungen nach Großbritannien

Soll zum Beispiel das Halten und Parken geregelt werden - samt Lieferzonen und Sonderparkplätzen für Schwerbehinderte - dann gehe das nicht ohne Schilder, erklärte der Sprecher des Straßenverkehrsamtes Frankfurt, Ingmar Bolle, und verwies auf die Straßenverkehrsordnung. „Dabei gilt, dass Verkehrszeichen nur angeordnet werden, wenn sie nötig sind und nicht einfach nur eine ohnehin geltende Regelung wiedergeben oder wiederholen.“ 

„Dass wir uns auch einfachere Wege vorstellen könnten, steht auf einem ganz anderen Blatt“, ergänzte Bolle. „Beispielsweise werden im Vereinigten Königreich Halt- und Parkverbote einfach per Markierung am Straßenrand angezeigt. Ein Strich bedeutet Parkverbot, zwei Striche Haltverbot.“ Solche Vorstöße seien hierzulande vom Verordnungsgeber nie aufgenommen worden. 

Offenbach sieht eher geringes Potenzial zur Verringerung der Schilderzahl

Die Straßenverkehrsbehörde in Offenbach gibt zu bedenken, dass sich die rechtliche oder tatsächliche Notwendigkeit von Verkehrszeichen Außenstehenden nicht immer erschließe. „Zudem besteht in der Praxis ein eher lustiges Faktum“, ergänzte eine Sprecherin der Stadt. „Einerseits würde jeder unterstreichen, dass es im öffentlichen Verkehrsraum viele, vielleicht sogar zu viele Verkehrszeichen gibt. Auf der anderen Seite gehen aber bei der Straßenverkehrsbehörde tagtäglich Anfragen nach neuen, weiteren Regelungen durch Beschilderungen und Markierungen ein.“

Insbesondere in den vergangenen rund fünfzehn Jahren seien etwa nach rechtlichen Änderungen zur Verkehrssicherheit, zum Lärm- und Immissionsschutz oder wegen der Verkehrswende teils auf einen Schlag mehrere neue Verkehrszeichen hinzugekommen, erläuterte die Sprecherin. Als Beispiele nannte sie Geschwindigkeitsbeschränkungen im Kontext der Luftreinhaltung, das Bewohnerparken und die Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrende. 

Ein gewisses, aber eher geringes Potenzial zur Verringerung der Schilderzahl werde immer gesehen, erklärte die Sprecherin. „Wenn zum Beispiel vor Jahrzehnten eine Ladezone für gewisse Gewerbetreibende eingerichtet wurde und man feststellt, dass die Firma vor Ort nicht mehr existiert und auch kein Nachfolgebedarf besteht, wird natürlich die Ladezone (eingeschränktes Haltverbot) wieder entfernt.“ Die Offenbacher Straßenverkehrsbehörde besitze allerdings nicht die zeitlichen oder personellen Ressourcen, gezielt das ganze Stadtgebiet zu durchforsten.

In Gießen gibt es nach Auskunft einer Stadtsprecherin regelmäßige Verkehrsschauen. Ergebnis sei, dass die Beschilderung in den allermeisten Fällen den Bedarf nach der Straßenverkehrsordnung abdeckt. „Ergänzungen gibt es meist bei neuen Straßen oder größeren Umbaumaßnahmen“, ergänzte die Sprecherin. 

In einem bestimmten Darmstädter Stadtteil verschwinden pro Jahr 20 Ortstafeln

In Darmstadt sind alle aktuell rund 30 000 Verkehrsschilder in einem Kataster dokumentiert, wie ein Sprecher mitteilte. Beispielsweise die Beschilderung der Fußgängerzone sei im vergangenen Jahr kontrolliert worden, um sie einheitlicher und leichter verständlich zu gestalten. „Dabei wurde auch überprüft, ob alle bisherigen Schilder noch nötig sind“, erläuterte er. „An vielen Standorten wird die Beschilderung künftig niedriger hängen, damit sie besser wahrgenommen wird.“

Bei der Frage nach Schilderklau winken alle befragten Kommunen ab, dies sei kein nennenswertes Problem. Mit einer kleinen Ausnahme: In Darmstadt verschwinden etwa 20 Mal im Jahr die Ortstafeln des Stadtteils Wixhausen.

© dpa-infocom, dpa:240315-99-346056/3

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