Kolumbien:Zum Kegeln

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Bogotás Stadtverwaltung hat 40 Kleindarsteller verpflichtet, die - als "Lübecker Hütchen" verkleidet - Verkehrssünder zur Ordnung rufen sollen. Leider schränkt sie ihr Kostüm ein bisschen in der Abwehr von Angreifern ein.

Von Boris Herrmann

Im kanadischen Vernon gab es einmal einen sehr erfolgreichen Verkehrspolizisten, der sich im Dienst als Bettler verkleidete. Die Autofahrer schauten in der Regel verschämt weg, wenn er mit seinem Pappschild an der Kreuzung stand. Viele machten sich nicht einmal die Mühe, die Aufschrift des Schildes zu lesen: "Ich bin kein Obdachloser. Polizei hält Ausschau nach Autogurten und Handys." Wer nicht angeschnallt war oder am Steuer telefonierte, wurde an der nächsten Kreuzung von Kollegen des Undercover-Polizisten zur Kasse gebeten. In einer Mitteilung der Polizei von Vernon hieß es, der Trick funktioniere auch mit Beamten, die als Bauarbeiter verkleidet seien.

Im kolumbianischen Bogotá arbeiten sie dieser Tage an der Perfektionierung dieser Idee. Dort werden Verkehrssünder neuerdings von orangefarbenen Kegelmenschen zur Ordnung gerufen. Präziser gesagt: Mit Megafonen zur Ordnung gebrüllt: "Falschparker! Falschparker! Warum verstellst du die Einfahrt?", schallt es dem Delinquenten dann beispielsweise entgegen. Bogotás Stadtverwaltung hat dafür rund 40 Schauspieler verpflichtet, zunächst für sechs Monate. Es ist ein Modellversuch.

Bei ihrer Kostümwahl setzt die kolumbianische Sondereinsatzgruppe nicht - wie beim kanadischen Modell - auf Tarnung, sondern auf größtmögliche Aufmerksamkeit. Der Form nach könnte es sich auch um eine Schlumpffamilie handeln, die Farbgebung indes ist eindeutig dem sogenannten Leitkegel nachempfunden, der mancherorts auch als Pylon, Lübecker Hütchen oder Verkehrstöggel bekannt ist. In Kolumbien hat sich der Fachbegriff "Cono" durchgesetzt. Die Mission trägt den Namen "El Poder del Cono", die Macht des Kegels. Laut Juan Pablo Bocarejo, dem Stadtsekretär für Mobilität, geht es darum, "den öffentlichen Raum zurückzuerobern".

Das ist tatsächlich ein äußerst verdienstvolles Anliegen, denn Bogotá hat ein veritables Platzproblem. Vor 80 Jahren wohnten dort etwa 350 000 Menschen, heute sind es knapp acht Millionen. Nicht alle von ihnen fahren Auto, aber viel zu viele, eine U-Bahn gibt es ja nicht. Kolumbiens Hauptstadt liegt wie ein langer Teppichläufer zwischen den Kordilleren der Anden und dem schwer verschmutzten Río Bogotá. Sie weiß nicht so recht, wo sie hinwachsen soll und gehört schon jetzt zu den am dichtesten besiedelten Großstädten der Welt. Einer Studie zufolge führt sie das Stau-Ranking in Lateinamerika an, noch vor den Wildwuchsmetropolen São Paulo, Caracas und Mexiko-Stadt. Durchschnittlich 80 Stunden pro Jahr verbringt jeder Bewohner Bogotás demnach im stehenden Auto. Aus Sicht des Mobilitätssekretärs Bocarejo kollabiert der Verkehr auch viel zu oft wegen Kurzfalschparkern am Straßenrand. Deshalb entwickelte die Stadtverwaltung das Programm zur Verkehrserziehung per Megafon. Das Kegelkommando hat die Aufgabe, falsch parkende Autos so lange anzubrüllen, bis der Fahrzeughalter beschämt und bestenfalls bekehrt davonfährt. Im Rathaus glauben sie, dass diese Art der öffentlichen Bloßstellung mehr bewirken kann als jedes Knöllchen.

In mindestens einem Fall kam es aber auch schon zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen einem überführten Falschparker und einem menschlichen Kegel. Wie sich herausstellte, ist dieses bezaubernde Kostüm bei Faustkämpfen eher hinderlich.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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