Kalifornien:Gewaltige Streichholz-Box

Lesezeit: 2 min

Der Dezember ist in Kalifornien so heiß wie noch nie. Die Folge: Es brennt überall. Bereits mehr als 500 Häuser wurden zerstört, auch die Villen im Nobelviertel Bel-Air sind bedroht.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Auf dem Freeway 405 von Los Angeles Richtung Sacramento sieht es derzeit aus, als sei Beelzebub höchstselbst zur amerikanischen Westküste gekommen, um den Leuten zu zeigen, wie der Tag des Jüngsten Gerichts aussehen könnte, wenn sie so weitermachen mit der Zerstörung dieses Planeten. Mehr als 500 Häuser sind von Lauffeuern niedergebrannt, mehr als 200 000 Menschen evakuiert worden - und es könnte noch schlimmer werden. "Unter diesen Bedingungen können wir das Feuer nicht unter Kontrolle bringen", sagt Mark Lorenzen, Chef der Feuerwehr in Ventura County: "Der Kampf könnte Wochen dauern. Die Natur wird entscheiden, wann wir löschen können." Es ist so heiß, trocken und windig wie nie zuvor im Dezember in Südkalifornien, ideale Bedingungen für Flächenbrände, die sich in den Hügeln im Norden von Los Angeles beinahe ungestört ausbreiten können.

Die meisten Experten sind sich einig, dass der Mensch für diese Apokalypse in Kalifornien verantwortlich ist. Zum einen hat der Klimawandel den Bundesstaat in eine gewaltige Streichholzschachtel verwandelt, zum anderen haben die Leute ihre Häuser an Hügeln gebaut, die nun wie Trichter für die sich immer weiter ausbreitenden Feuer dienen. Die Bilder erinnern an Hollywood-Filme; Menschen sprinten durch brennende Felder, Feuerwehrleute rennen gegen Funkenregen an, schicke Villen im Nobelviertel Bel-Air fallen einfach in sich zusammen.

2000 Feuerwehrleute versuchen, die Feuer einzudämmen. Sie werden unterstützt von Insassen aus kalifornischen Gefängnissen, die Essen zubereiten oder Säcke schleppen. Und dann gibt es noch private Brandschutzfirmen wie Wildfire Defense Systems (WDS), die im Auftrag von Versicherungen die Häuser all jener zu schützen versuchen, die sich eine bisweilen arg teure Police leisten können. Die WDS-Mitarbeiter verteilen ein Schutzgel um das Grundstück, entfernen leicht entflammbare Büsche und Bäume und löschen die Brände um das versicherte Haus. Auch deshalb stehen gerade in Bel-Air manche Häuser noch, während drumherum alles niedergebrannt ist.

"Unser Job besteht darin, die Arbeit der staatlichen Feuerwehrleute zu unterstützen und Maßnahmen zu ergreifen, die die Überlebenschancen der versicherten Häuser erhöhen", schreibt WDS-Präsident David Torgerson in einer E-Mail an die SZ: "Es hat in diesem Jahr mehr als 120 Lauffeuer in den USA gegeben. Durch die Kombination aus unserer Arbeit und dem Einsatz der staatlichen Feuerwehrleute sind mehr Häuser gerettet worden." Was Torgerson so freundlich beschreibt, ist freilich auch Ausdruck des in Amerika üblichen Zweiklassensystems.

Der Feuerwehrchef Mark Lorenzen sieht das allerdings pragmatisch. Seine Leute seien hoffnungslos überlastet und würden rund um die Uhr einen Kampf gegen das Feuer führen, der ohne die Hilfe der Natur, also ein Abschwächen der Winde, aussichtslos erscheint. Er sei wirklich für jeden Helfer dankbar, egal, wo der nun angestellt ist.

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: