Justiz:Gericht stoppt Besetzung von Spitzenposten der NRW-Justiz

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Ein Briefkasten vor dem Verwaltungsgericht. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/Archivbild)

Seit mehr als zwei Jahren ist die Stelle des obersten Verwaltungsrichters in NRW vakant. In einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Münsters wird nun deutliche Kritik am NRW-Justizminister laut - und die geplante Besetzung gestoppt.

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Münster (dpa/lnw) - „Rechtswidrig“ und „manipulativ“: Das Verwaltungsgericht in Münster hat die Besetzung eines Spitzenpostens der NRW-Justiz gestoppt und dabei nicht mit Kritik an NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) gespart. Das Gericht untersagte dem Land im Eilverfahren, den Präsidentenposten am Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster mit Limbachs Wunschkandidatin zu besetzen, und ordnete eine neue Entscheidung an. Die Landtags-Opposition kündigte an, eine Sondersitzung des Rechtsausschusses zu beantragen.

Die Stelle, immerhin das höchste Richteramt, das das Verwaltungsrecht in NRW zu bieten hat, ist seit mehr als zwei Jahren vakant. Der gezielte Stopp des vorherigen Bewerbungsverfahrens sei ohne Angabe von Gründen erfolgt, teilte das Gericht am Donnerstag in Münster mit. Offenbar sei es nur darum gegangen, eine nachträgliche Bewerberin noch berücksichtigen zu können.

Diese „manipulative Verfahrensgestaltung“ zu Gunsten der Bewerberin verletze den Anspruch des Antragstellers, einem der Bewerber des gestoppten Verfahrens, befand das Gericht.

Nach dem Abbruch eines ersten Bewerbungsverfahrens am 15. Juni 2021 war der Posten erneut ausgeschrieben worden, schilderte das Gericht. Danach hätten sich ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts und zwei weitere Bewerber auf die Stelle beworben. Limbachs Amtsvorgänger Peter Biesenbach (CDU) habe sich am 16. Mai 2022 - einen Tag nach der Landtagswahl - für einen der weiteren Bewerber ausgesprochen.

Am 30. Juni 2022 habe Biesenbachs Nachfolger Limbach die Verfügung gestoppt. Am 13. September 2022 habe sich dann noch eine Frau aus dem NRW-Innenministerium beworben. Diese sei in der Folge zur Wunschkandidatin des neuen Ministers geworden. Er habe sogenannte Überbeurteilungen für alle Bewerber verfasst, die neue Bewerberin dabei als „hervorragend geeignet“ beurteilt und vorgeschlagen, ihr das Präsidentenamt anzutragen.

Mindestens zwei dieser sogenannten Überbeurteilungen des NRW-Justizministers seien rechtswidrig - eine Beurteilungs-Kompetenz stehe ihm für den Bundesrichter und die Beamtin aus dem NRW-Innenministerium nicht zu, er sei zu solchen Beurteilungen lediglich für Beamte und Richter seines eigenen Geschäftsbereichs befugt.

Mit den Überbeurteilungen habe der Justizminister zudem „zielorientiert“ die Auswahlentscheidung gesteuert und dabei teilweise die falschen Kriterien angewendet. Tatsächlich liege für die Bewerberin aus dem Innenministerium eine Beurteilungslücke von rund neun Jahren vor.

Gegen den Beschluss (Az.: 5 L 583/23) kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe Beschwerde eingelegt werden. Gegen die geplante Besetzung ist am Verwaltungsgericht Düsseldorf eine weitere Beschwerde anhängig.

Aus dem Justizministerium hieß es am Donnerstag, zu Personalangelegenheiten gebe man grundsätzlich keine Auskunft. Die Entscheidung werde derzeit noch geprüft.

Die Stelle der Präsidentin oder des Präsidenten des OVG ist seit Mitte 2021 unbesetzt. Amtsinhaberin Ricarda Brandts war Ende Mai 2021 in den Ruhestand gewechselt. Geleitet wird das OVG derzeit vom Vizepräsidenten Sebastian Beimesche. Brandts war bis zu ihrem Ausscheiden auch Präsidentin des NRW-Verfassungsgerichtshofs.

Politisch brisant ist der Besetzungsstreit auch, weil der 5. Senat am OVG als Präsidentensenat für Parteiverfahren zuständig ist. Anhängig ist in Münster ein Großverfahren um einen Streit der AfD mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln. Einen Termin für die mündliche Verhandlung gibt es noch nicht.

Die Landtags-Opposition kündigte ein politisches Nachspiel an: Man werde eine Sondersitzung des Rechtsausschusses beantragen, teilte die Vize-Vorsitzende der SPD-Fraktion, Elisabeth Müller-Witt, mit. „Dass ein Gericht einem Justizminister rechtswidriges Verhalten vorhält, dürfte einmalig in der Geschichte unseres Landes sein.“

Limbach müsse den Vorwurf der manipulativen Verfahrensgestaltung umgehend ausräumen. Ansonsten sei es um seine eigene Legitimation nicht mehr gut bestellt.

„Wir stellen uns mittlerweile ernsthaft die Frage, ob Justizminister Limbach dem Amt gewachsen ist“, so auch FDP-Fraktionschef Henning Höne. Limbach genieße offensichtlich kaum noch Vertrauen in der Justiz. „Das ist nicht nur peinlich und rechtlich höchst fragwürdig, sondern es schadet dem Ansehen seines Amtes und des gesamten Justizministeriums.“

© dpa-infocom, dpa:230928-99-367542/4

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