Justiz:Deutsches Gericht schützt den IS

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Hasan A., hier am vergangegen Freitag beim Prozess vor dem Landgericht Saarbrücken, ist als Betrüger verurteilt worden. Das Opfer: der sogenannte islamische Staat. (Foto: dpa)
  • Das Landgericht Saarbrücken hat einen Syrer, der die Terrormiliz um Geld betrügen wollte, zu zwei Jahren Haft verurteilt.
  • Der Fall ist ein Lehrstück für Juristen: Darf ein Vermögen, das verbrecherisch erworben wurde und verbrecherisch eingesetzt werden soll, vom Recht geschützt werden?

Von Heribert Prantl

Der sogenannte Islamische Staat, kurz IS, ist eine terroristische Vereinigung. Er hat sich grausamster Verbrechen schuldig gemacht. Er war Drahtzieher und Auftraggeber vieler islamistischer Anschläge, unter anderem in Nizza und Berlin. Gleichwohl hat das Landgericht Saarbrücken soeben das Vermögen des IS als vom Recht geschützt betrachtet: Das Gericht hat einen Syrer, der dieser Terrormiliz wirtschaftlich schaden wollte, per Strafurteil für zwei Jahre ins Gefängnis geschickt. Der Vorsitzende Richter berief sich auf eine angeblich herrschende Rechtsmeinung, die jedes Vermögen schützt, ohne Rücksicht auf dessen rechtliche Anerkennung, also auch die Beute des Diebs und die Kasse der Terrorbande.

Das ist eine Lehre, die auf das alte Reichsgericht zurückgeht. Das Gericht in Leipzig war 1911 der Ansicht, dass es "kein strafrechtlich ungeschütztes Vermögen" gibt und entwickelte damit den "wirtschaftlichen Vermögensbegriff". Dieser besagt: Vom Strafrecht geschützt werden alle wirtschaftlichen Güter, gegebenenfalls auch die des Verbrechers. Das Vermögen ist danach eine von ihrem Inhaber losgelöste Wertmasse, die als solche stets schutzwürdig ist, ganz gleich, wie sie erlangt wurde und wie sie verwendet wird. Dieser Vermögensbegriff bedeutet die rechtliche Verherrlichung des goldenen Kalbs. Man muss sich dann beim Strafen keine moralischen Gedanken machen.

Im konkreten Fall war es so, dass Hasan A., ein 39-jähriger syrischer Flüchtling, gelernter Friseur aus Damaskus, von der Staatsanwaltschaft beschuldigt worden war, für die Terrormiliz Sprengstoffanschläge geplant zu haben. Im Prozess stellte sich dann heraus, dass nichts dran war an dem Vorwurf des "Versuchs der Beteiligung an einem Mord". Der Mann hatte keine Komplizen, keinen Tatplan, keine Verbindungen - er war kein Terrorist, sondern ein Filou, der via Internetchats versucht hatte, dem IS 180 000 Euro abzuluchsen mit der falschen Behauptung, er wolle damit Anschläge "in den Ländern der Ungläubigen" vorbereiten. Der Angeklagte räumte vor Gericht ein, dass es ihm nur darum zu tun war, den IS zu betrügen. Und so verurteilte das Gericht den Mann dann eben nicht als IS-Terroristen, sondern als Betrüger - als einen, der versucht hat, den IS zu betrügen.

Da bäumt sich freilich das Rechtsgefühl auf. Darf ein Vermögen, das verbrecherisch erworben wurde und verbrecherisch eingesetzt werden soll, vom Recht geschützt werden? Wo bleibt da die Einheit der Rechtsordnung?

Andererseits: Soll einer, der so eine Aktion wie Hasan A. startet, ganz ungeschoren davonkommen? Bleibt dann auch ungestraft, wer einem Mafioso im Bus die Tasche mit dem Schutzgeld klaut? Heißt die Devise also: Sollen doch die Betrüger die Betrüger betrügen und die Diebe Diebe bestehlen? Fragen über Fragen für juristische Seminare, Anlass für lange Abhandlungen: Es gibt nämlich nicht nur einen "wirtschaftlichen Vermögensbegriff"; es gibt auch einen "juristischen Vermögensbegriff" und drei weitere Vermögensbegriffe - und danach hätte es zu einer Verurteilung des Hasan A. als Betrüger nicht kommen dürfen.

Welches Vermögen ist vom Strafrecht geschützt? Der Bundesgerichtshof wird da hoffentlich in letzter Instanz Klärung schaffen.

© SZ vom 14.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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