SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Dante ist 700 Jahre tot, lasst ihn in Ruhe!"

Lesezeit: 3 min

Dante Alighieri wurde im Jahr 1302 wegen Korruption verurteilt. Er sollte getötet werden, falls er je wieder einen Fuß in die Stadt Florenz setzt. Sollte man noch mal neu aufrollen, oder? (Foto: JT Vintage/imago images/ZUMA Wire)

Ein Nachfahre des berühmten italienischen Dichters in 19. Generation will angeblich einen Prozess aus dem Jahr 1302 wieder aufrollen. Ein Riesenmissverständnis, sagt Sperello di Serego Alighieri.

Interview von Elisa Britzelmeier

Wollte man die Bedeutung des Dichters und Philosophen Dante Alighieri für Italien auf Deutschland übertragen, müsste man sich Goethe und Luther als eine einzige Person vorstellen, die obendrein noch das Nibelungenlied geschrieben hat. Dante gilt als Begründer der italienischen Sprache, seine "Göttliche Komödie" ist Schullektüre, und sehr viele Italienerinnen und Italiener können mindestens einen seiner Verse auswendig. Nun macht sein Nachfahr Schlagzeilen: Sperello di Serego Alighieri, 68, will angeblich einen Prozess gegen Dante wieder aufrollen. Schließlich sei der vor gut 700 Jahren zu Unrecht verurteilt worden. Wirklich? Ein Anruf in Perugia.

SZ: Herr Alighieri, wir haben hier gelesen, dass Sie den Prozess gegen ihren Urahn ...

Sperello di Serego Alighieri: Lassen Sie mich gleich mal sagen: Es ist unschön, wenn man für eine falsche Sache berühmt wird.

Inwiefern falsch?

Weil das, was im Corriere della Sera und im Guardian berichtet wird, nicht stimmt. Es ist absolut nicht meine Absicht, eine Revision des Prozesses gegen Dante zu verlangen. Das hätte ja keinen Sinn, es würde nichts bewirken. Und Dante hat das auch überhaupt nicht nötig.

Wäre auch meine Frage gewesen: ob es wirklich eine Versöhnung zwischen Dante und dem italienischen Staat braucht.

Absolut nicht! Ich bin da falsch zitiert worden.

Was haben Sie denn in Wirklichkeit vor?

Noch vor der Pandemie hat mich ein Anwalt aus Florenz kontaktiert. Er hatte die Idee, zum Dante-Jahr diese Veranstaltung zu machen.

2021 ist der Tod Dantes 700 Jahre her, Italien feiert.

Genau. Das Anwaltsbüro plant jedenfalls für Mai eine Veranstaltung, bei der Juristen, Historiker und Linguisten den Fall Dante durchsprechen. Und die juristischen Begründungen erneut überprüfen, mit denen er damals verurteilt wurde. Im Jahr 1302 gab es ja zwei Prozesse gegen Dante.

Er wurde von politischen Gegnern zum Exil verurteilt. Und zum Tod, für den Fall seiner Rückkehr nach Florenz.

Als die Anwälte mich fragten, ob ich dabei sein will, meinte ich erst mal, dass ich von Recht keine Ahnung habe. Ich bin Astrophysiker, kein Jurist. Aber sie sagten: Macht nichts, das wird keine ernste Sache, sondern eine unterhaltsame Angelegenheit. Klar, das kann schon auch juristisch-historisch interessant werden, aber sonst nichts. Es wird überhaupt keine rechtlichen Folgen haben. Dante ist jetzt 700 Jahre tot, lasst ihn in Ruhe!

Sperello di Serego Alighieri: Dante-Nachfahr, der gerne etwas richtigstellen möchte. (Foto: privat)

Für Ihre Veranstaltung ist das jetzt aber ganz schön viel Werbung.

Mindestens zehn Journalisten haben mich schon angerufen wegen dieser Sache! Die ganze Welt denkt, dass ich den Prozess wieder aufrollen möchte, es ist verrückt. Kaum hatte ich den Corriere gelesen, habe ich versucht klarzustellen, was da falsch wiedergegeben wurde. Am Ende habe ich immerhin erreicht, dass ich dort selbst ein Stück schreibe, das die Sache erklärt. Mich amüsiert das Ganze sehr.

Es amüsiert Sie?

Und ob! Es ist zwar ein Unding der journalistischen Praxis, jemandem Sätze in den Mund zu legen. So macht man das wirklich nicht, Leute. Aber in meinem Fall ist der Effekt fast irrelevant, anders als bei, sagen wir, Nachrichten zur Pandemie. Es war übrigens auch mein Vorschlag, den Nachfahren des Podestà einzuladen. Cante Gabrielli hat als Stadtherr damals Dante verurteilt. Seinen Nachfahr, Antoine de Gabrielli, der heute in Paris lebt, habe ich vor ein paar Jahren kennengelernt, wir verstehen uns gut.

Wo lernt man sich so kennen unter Nachfahren?

In Gubbio hier in Umbrien gibt es ein Mittelalter-Festival, da waren wir eingeladen. Das war damals auch schon eine sehr lustige Veranstaltung mit uns beiden. Also kommt er auch jetzt wieder. Ich erzähle Ihnen noch was: Im Jahr 2015, da war auch ein Dante-Jahr - lassen Sie mich überlegen, 750 Jahre seit der Geburt? Ja, er ist 1265 geboren, also da war jedenfalls auch eine Veranstaltung, in Florenz, und der Bürgermeister sagt irgendwann: Die Stadt Florenz entschuldigt sich für das, was wir Ihrem Vorfahr angetan haben. Und ich: Danke sehr, aber machen Sie sich keine Sorgen, ist schon lang her.

Wie lebt man mit dem Namen Alighieri?

Es ist nicht leicht. Als Nachfahr hat man sich nichts zuschulden kommen lassen, aber sich auch nichts selbst verdient. Man will ja aus eigener Leistung etwas erreichen, nicht weil man der Nachfahr von jemandem ist. Im Gymnasium damals habe natürlich auch ich die "Göttliche Komödie" gelesen. Meine Verbindung zu ihm habe ich damals oft eher versteckt. Es reicht, den zweiten Nachnamen wegzulassen. In meinem Ausweis steht Sperello di Serego Alighieri, aber nach dem wird man nicht immer gefragt.

Sie sind die 19. Generation nach Dante.

Und es gibt auch die 20. und 21. Generation, meinen Sohn und meinen Enkel. In der Familie war uns dieses Vermächtnis immer sehr bewusst. Als ich lesen lernte, hat mein Vater mir ein Lesezeichen geschenkt. Auf dem stehen die wenigen Verse der "Göttlichen Komödie", die ich auswendig kann. (rezitiert) O poca nostra nobiltà di sangue ... jedenfalls heißt das so viel wie: Abstammung ist ein Mantel, der sofort schrumpft, wenn man nicht täglich etwas hinzufügt.

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