Iran:Der Ehrenmord, der Rechtsgeschichte schreiben könnte

Lesezeit: 3 min

Der iranische Präsident Hassan Rohani hält eine Rede im Parlament in Teheran. (Foto: Iranian Presidency/ZUMA Wire/imago images)

Eine Teenagerin flieht mit einem älteren Mann vor ihrer Familie. Das Paar wird gefasst - und Romina Ashrafi von ihrem Vater ermordet. Nun will Iran Gewalttaten im Namen der vermeintlichen Familienehre stärker sanktionieren.

Von Moritz Baumstieger

Der Mörder von Romina Ashrafi kam nachts, als sie schlief, und sie kannte ihn gut: Er war ihr Vater. Als sich der Mann nach seiner Tat am vergangenen Donnerstag in Nordiran auf einer Polizeiwache selbst stellte, hielt er noch immer die blutige Sichel in der Hand, mit der er seine Tochter im Schlaf enthauptet hatte. So berichten es lokale Medien.

Romina Ashrafi wurde 13, anderen Angaben zufolge 14 Jahre alt. Sie starb, weil ihr Vater meinte, auf diese Art die Ehre seiner Familie wiederherstellen zu können und dies auch tun zu müssen. Romina war ausgerissen, ein zwanzig Jahre älterer Mann aus ihrem Dorf hatte von Liebe und Heirat gesprochen, doch Ashrafis Familie war gegen die Verbindung. Als die iranische Polizei das Paar nach fünf Tagen auf der Flucht aufgriff, bettelte Romina Ashrafi, nicht zum Vater nach Hause gebracht zu werden, sie habe Angst vor dessen gewaltsamer Reaktion. Mit gutem Grund.

SZ PlusSZ MagazinReise ins Ungewisse
:Warum ein junger Mann zu Fuß in den Iran aufbrach

Er erfährt, dass sein Vater ihn einst nach Deutschland entführt hat - und dass die Mutter seit Jahrzehnten nach ihm sucht. Legal kann er nicht zu ihr reisen.

Von Kerstin Greiner

Das Schicksal des Mädchens bewegt längst nicht mehr nur die Einwohner in Talesch, dem etwa 420 Kilometer von Teheran entfernten Städtchen am Kaspischen Meer, aus dem die Familie stammt. Überregionale iranische Medien griffen den Fall in dieser Woche auf und druckten ein Bild des Teenagers auf ihren Titelseiten, wobei sie per Photoshop den keck auf dem Hinterkopf sitzenden Schleier des Mädchens etwas weiter in Richtung Stirn verlängerten und die Jeans über ihre Knöchel. Bald berichteten auch internationale Medien, im farsi- wie auch im englischsprachigen Internet ist der Name von Romina Ashrafi zum viel zitierten Schlagwort geworden. Denn ihr Schicksal vereint viel, das selbst nach Ansicht konservativer Iraner falsch läuft im Rechtssystem der Islamischen Republik.

Der 35-Jährige, der Romina Ashrafi zum Durchbrennen überredet hatte, muss keine Konsequenzen befürchten: Eine Eheschließung mit einem Mädchen oder einer Jugendlichen ist in Iran zwar die Ausnahme - das durchschnittliche Heiratsalter liegt bei 23 - aber ab dem Alter von 13 Jahren legal. Dass Romina als Frau aber durch ihre Familie Konsequenzen zu befürchten hat, ahnte sie nicht nur selbst, auch die Beamten hätten es wissen können: Zwar gibt es keine belastbaren Statistiken zu Mordfällen in Iran, durch die scheinbar verletzte Familienehre wiederhergestellt werden soll. Einige arabische Medien (die allerdings eine klar anti-iranische Linie verfolgen) zitieren die Aussage eines hohen Polizeioffiziers von 2014, nachdem ein Fünftel aller Mordfälle im Land sogenannte Ehrenmorde seien. Die Täter - auch das trägt nun zur Erschütterung bei - werden in der Regel milde bestraft: Rominas Vater Reza Ashrafi, der nun in Untersuchungshaft sitzt, dürfte eine Haftstrafe zwischen drei und zehn Jahren erwarten. Das Prinzip der Vergeltung, das Mördern in Iran die Todesstrafe oder ein hohes Blutgeld auferlegt, greift in dem Fall nicht - weil Täter und Opfer derselben Familie angehören.

Reza Pahlavi, der im US-Exil lebende Sohn des 1979 durch die Islamische Revolution gestürzten Schahs von Persien, nutzte den Fall für einen Angriff auf den religiösen Charakter der iranischen Staatsordnung. "Gesetze, die häusliche Gewalt, Ehrenmorde, Kindesmissbrauch und -heirat erlauben, haben im 21. Jahrhundert nichts zu suchen", schrieb er auf Twitter. "Die Lösung ist die Rückkehr zu säkularem Recht."

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Sondergericht untersucht den Fall

Doch nicht nur die Exilopposition, selbst das politisch-religiöse Establishment der Islamischen Republik sieht nun Handlungsbedarf: Präsident Hassan Rohani, der nicht nur Jurist, sondern auch schiitischer Rechtsgelehrter ist, hat am Mittwoch sein Kabinett angewiesen, endlich für Rechtsreformen zu sorgen, die Gewalttaten im Namen der vermeintlichen Familienehre stärker sanktionieren.

Seit Jahren kursieren hierfür Entwürfe in den Ministerien und Ausschüssen des Parlaments, ihre Implementierung wurde jedoch bis heute verzögert - vielleicht aus Gleichgültigkeit, vielleicht von manchen Konservativen aus politischer Absicht. Vizepräsidentin Masumeh Ebtekar, für Frauen und Familien zuständig, sagte nun, sie hoffe, dass härtere Strafen bald in Kraft treten könnten. Und kündigte an, dass die Justiz den aktuellen Fall in einem Sondergericht untersuchen werde - der Name von Romina Ashrafi könnte somit auch in der Rechtsgeschichte des Landes zum viel zitierten Schlagwort werden.

© SZ/ick - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Iran gegen USA
:Der persische Stolz

Die Iraner sind unzufrieden mit ihrem Revolutionsregime - und zugleich prinzipiell mit ihm einig. Verbindend wirkt der kulturelle Nationalismus.

Gastbeitrag von Katajun Amirpur

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: