Interview mit "El Chapo":Sean Penn, der Missverstandene

Lesezeit: 4 min

CBS-Moderator Charlie Rose (links) im Gespräch mit Sean Penn (Foto: REUTERS)
  • In einem Interview spricht Sean Penn ausführlich über sein Treffen mit dem mexikanischen Drogenboss "El Chapo" und den Reaktionen darauf.
  • Der Schauspieler betrachtet den Artikel als gescheitert, da er seinen Zweck verfehlt habe.
  • Penn widersprach Berichten, in denen behauptet wurde, dass sein Treffen zur erneuten Festnahme von "El Chapo" geführt hätte.

Von Hakan Tanriverdi, New York

Sean Penn denkt, dass er versagt hat. "Mein Artikel über El Chapo ist gescheitert", sagt er im Interview in der Sendung 60 Minutes auf CBS. Das Interview dauert knapp 14 Minuten. Doch Penn habe nicht etwa versagt, weil die Kritik an seinem Artikel berechtigt sei, sondern weil alle Welt Sean Penn missverstanden habe.

Der Schauspieler und selbsternannte "experimentelle Journalist" (Penn war 2005 unterwegs in Iran, interviewte 2008 den kubanischen Präsidenten Raúl Castro) wollte mit seinem Besuch bei "El Chapo" und anschließendem Artikel über den Drogenboss Joaquín Archivaldo Guzmán Loera im US-Magazin Rolling Stone erreichen, dass der War on Drugs intensiv in der Öffentlichkeit debattiert wird. Ein Krieg, der zwischen 2007 und 2014 in Mexiko nach Angaben der Regierung 164 000 Menschen das Leben gekostet haben soll.

"Alle eure Kinder nehmen diese Drogen"

Denn es sei egal, ob man sich politisch links oder rechts verorte, sagt Penn im Interview: "Alle eure Kinder nehmen diese Drogen, alle eure Brüder, Schwestern, Vater, Mütter und Lehrer in der Schule". Alle Menschen in den USA wollen, dass der Drogenkrieg aufhöre. Doch wie viel Prozent der Zeit sei in der vergangenen Woche über dieses Thema geredet worden, fragt Penn weiter. Ein Prozent sei ihm zufolge noch eine großzügige Schätzung. Darum bezeichnet Penn seinen Artikel, dessen Lesedauer knapp eine Stunde beträgt, als Flop.

"Ich glaube, die Stragie im Kampf gegen Drogen, ein Kampf der uns alle sehr betrifft, scheint unbeweglich zu sein", sagt Penn. Ihm zufolge wolle man das Problem vereinfachen, also einen Bösewicht haben, um sich auf diesen zu konzentrieren. Penn findet, dass es der Aufklärung eines Themas nicht diene, Menschen zu dämonisieren. "Ich kann nicht sagen, dass er (Guzmán) schlimmer ist als ich, wenn ich nicht alles tue, was in meiner Macht steht, um eine Diskussion darüber loszutreten, wie wir diesen Krieg führen", sagte Penn.

Er selbst beschreibt in dem Artikel ausführlich, wie das Drumherum des ersten siebenstündigen Treffens ablief und dass ein zweites Treffen nicht stattfinden konnte, weil Guzmán sich erneut auf der Flucht vor der mexikanischen Regierung befand. Penn musste seine Fragen also per Handy und Textnachrichten stellen. Guzmán wiederum hatte zuvor zugestimmt, seine Antworten per Video aufzunehmen. Penn fragt den Drogenboss unter anderem nach seiner Kindheit ("sehr hart"), ob Guzmán sich verantwortlich fühlt für die hohe Zahl der Drogenabhängigen weltweit ("Nein"). Der Drogenkrieg in den USA spielt im Artikel selbst nicht die größte Rolle. Guzmán wird in dem Artikel eher positiv dargestellt.

Drogenbaron Joaquín Guzmán
:Wie Sean Penn Drogenboss "El Chapo" traf

Vor seiner Verhaftung gab der Drogenbaron dem Oscar-Gewinner ein Interview. Was "El Chapo" im mexikanischen Dschungel verriet - und warum es Kritik an Sean Penn gibt.

Von Matthias Kolb, Washington

Kritik an Penn: keine wichtigen Fragen

Der Artikel sorgte nach Erscheinen weltweit für Schlagzeilen und für heftige Diskussionen. Grob zusammenfassen lassen sich drei Punkte.

Erstens: Vor allem mexikanische Journalisten haben Sean Penn vorgeworfen, eine Art Homestory über den Drogenboss geschrieben zu haben. So sagt zum Beispiel Adela Navarro, Chefredakteurin des Magazins Zeta, dass Sean Penn lediglich persönliche Fragen stellen konnte ("ihm fehlt der Kontext der Straße, er ist kein Journalist in Mexiko") und die Antworten darauf den meisten Menschen in Mexiko egal seien. "Wir wollen wissen, wen er bezahlt hat, um zu fliehen, wer in der Regierung und welche großen Firmen ihm bei der Geldwäsche helfen. Wie viele Leute er hat umbringen lassen."

Dass Penn eine Antwort auf diese Fragen haben könnte, wird in dem Artikel angedeutet. An einer Stelle heißt es, dass Guzmán freimütig über korrupte Firmen in Mexiko und andernorts rede. Penn darf die Namen aber nicht nennen.

Javier Ramos, ebenfalls Journalist in Mexiko, weist in einem Artikel darauf hin, dass Sean Penn von ebenjenem Drogenkartell beschützt wurde, das mexikanische Journalisten terrorisiere. "Penn mag gedacht haben, dass sein Leben in Gefahr war", schreibt Ramos, "aber er musste sich um so gut wie nichts sorgen". Denn jenes Terrain, durch das Penn navigiert wurde, sei für Journalisten eine Gefahrenzone. Wegen jenes Kartells, das den Aufenthalt von Penn erst ermöglicht habe.

Im Interview wird der Schauspieler gefragt, warum er Guzmán getroffen habe: "Was bringt das denn?", fragt der Interviewer Charlie Rose. Penn kommt indirekt auf die Kritik zu sprechen und sagt, dass er nicht die Person sein muss, die über "mutmaßliche Morde" zu berichten hat. Ihm sei es darum gegangen, Zeit mit Guzmán zu verbringen: "Sitzen, observieren, Fragen stellen".

Zweitens wurde diskutiert, inwieweit der zweifache Oscar-Gewinner dafür verantwortlich sei, dass der Drogenboss festgenommen wurde. Die Generalstaatsanwältin Arely Gómez hatte behauptet, dass das Treffen zwischen Penn und Guzmán bei der Festnahme "geholfen" hätte.

US-Schauspieler
:Überwachungsbilder sollen Sean Penn vor "El Chapo"-Interview zeigen

Bevor er den mexikanischen Drogenboss traf, wurde der US-Schauspieler Medienberichten zufolge überwacht. Hat das zur Verhaftung von "El Chapo" geführt?

Eine Taco-Bestellung als finaler Hinweis

Penn widerspricht. Ihm zufolge ist die Aussage ein Einschüchterungsversuch durch die mexikanische Regierung. Drogenkartelle sollen ihn ins Visier nehmen. Für die Regierung sei es sehr peinlich, dass ein Schauspieler einen aus der Haft entflohenen Drogenboss finden könne, die Behörden aber nicht. "Ich habe ihn nicht gefunden", führt Penn weiter aus. "Wir wurden eingeladen." Nach dem Treffen wurde bekannt, dass der Drogenboss Sean Penn überhaupt nicht kannte. Das Treffen fand statt, weil "El Chapo" ein Fan der mexikanischen Schauspielerin Kate del Castillo ist.

Mittlerweile ist klar, dass mexikanische Spezialeinheiten seit sechs Monaten auf der Spur von Guzmán waren und bereits 18 seiner Häuser durchsucht hatten. Als die Behörden einen von Guzmáns berüchtigten Tunnelbauern nahe einer Küstenstadt ausfindig machen konnten und aus abgehörten Telefonaten klar wurde, dass eine wichtige Person ankommen werde, habe man zugeschlagen. Der finale Hinweis: Unmengen an Tacos wurden bestellt.

Drittens wurde kritisiert, dass Penn es Guzmán erlaubt hatte, den Artikel vorab in Gänze zu lesen und abzunicken. Dies sei "unentschuldbar". Im Interview bestätigt der 55-Jährige das Vorgehen und sagt: "Hätte er 'Nein' gesagt, wäre keinem Leser etwas zuleide getan."

Penn betont, seine Aktionen nicht zu bereuen. Er habe versucht, den Lesern eine Person vorzustellen, an die man nicht so einfach herankomme, um anschließend über das Drogenproblem zu reden. Dass das nicht geklappt habe, zeige für ihn, wie schlecht es um den Journalismus in den USA bestellt sei.

© sz.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: