Einer der Vergewaltiger und Mörder einer indischen Studentin soll nach dem Absitzen seiner Haftstrafe an diesem Sonntag entlassen werden. Ein Gericht in Neu Delhi entschied am Freitag, seine Inhaftierung könne nicht verlängert werden, wie unter anderem die Times of India berichtet.
Die zuständige Sozialbehörde werde sich nach der Entlassung um den Mann kümmern, erklärte Regierungsanwalt Anil Soni. Der heute 20-Jährige war zum Tatzeitpunkt noch minderjährig und hatte die Höchststrafe von drei Jahren Jugendarrest bekommen.
Ein Anwalt des Opfers bezeichnete die Gerichtsentscheidung zur Freilassung des Mittäters als "Rückschlag für das gesamte Land". "Der Schrecken, dem wir vor ein paar Jahren ausgesetzt waren, wird am 20. Dezember auf unseren Straßen zurück sein", sagte der Verteidiger. Die Mutter des Opfers, die am Mittwoch erstmals den Namen ihrer Tochter öffentlich gemacht hatte, kritisierte: "Wir haben nicht die Gerechtigkeit bekommen, die uns zugesichert wurde. Letztlich wird ein Krimineller frei herum laufen."
Eine BBC-Doku über die Gruppenvergewaltigung in einem Bus könnte die Debatte über Gewalt gegen Frauen in Indien weiterbringen. Die Regierung aber reagiert nervös: Sie verbietet den Film, weil Anwälte und ein Täter vor laufender Kamera die Tat rechtfertigen.
Die 23-jährige Studentin Jyoti Singh war im Dezember 2012 vor den Augen ihres Freundes von einer Gruppe Männer in einem Bus in Neu Delhi vergewaltigt worden. Sie wurde so schwer misshandelt, dass sie knapp zwei Wochen später ihren Verletzungen erlag. Ihr Fall sorgte weltweit für Empörung und löste in Indien eine riesige Protestbewegung aus. Tausende junge Inder demonstrierten gegen Gewalt gegen Frauen. In dem Fall wurden insgesamt sechs Männer angeklagt. Einer von ihnen starb in Haft - offenbar in Folge eines Suizids. Die vier übrigen wurden zum Tode verurteilt, legten aber Berufung ein.
Eine Vertreterin der staatlichen Frauenkommission kündigte an, die Freilassung des 20-Jährigen vor dem höchsten Gericht noch anzufechten. Außerdem werde sie an Präsident Pranab Mukherjee schreiben. Die Eltern des Opfers hatten wiederholt gefordert, der junge Mann müsse wie die anderen Täter bestraft werden. Er sei eine Gefahr für die Gesellschaft.
Nach der Tat hatte die indische Regierung mehrere Maßnahmen beschlossen. Sie verschärfte unter anderem die Strafen für Vergewaltiger. Ein Gesetzentwurf, nach dem Jugendliche bei besonders abscheulichen Verbrechen nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden können, wurde allerdings vom Parlament blockiert.
