Homosexuelle in Indien:Ein Funke Hoffnung bleibt

Das Urteil gegen Homosexuelle in Indien ist ein krasser Rückschlag für die liberale Bewegung des Landes. Schwule und Lesben empfinden den Richterspruch als niederschmetternd. Allerdings gibt ein Hinweis an den Gesetzgeber zumindest ein Fünkchen Hoffnung.

Ein Kommentar von Tobias Matern

In Indien sind intime Beziehungen nach weit verbreiter Meinung Mann und Frau vorbehalten. Homosexualität ist tabuisiert, gleichgeschlechtlicher Sex war aber bis Mittwoch zumindest nicht strafbar. Das Oberste Gericht hat einer untergeordneten Instanz widersprochen, die dies vor vier Jahren entkriminalisiert hatte.

Das Urteil ist ein krasser Rückschlag für die liberale Bewegung des Landes. Dabei braucht Indien dringend eine gesellschaftspolitische Modernisierung. Während die Wirtschaft wächst - auch wenn der Aufschwung jüngst abgeflaut ist -, sind viele Wertvorstellungen noch weit vom 21. Jahrhundert entfernt. Das betrifft die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das drückt sich aus in der nach wie vor gängigen Praxis, weibliche Föten aus Angst vor der späteren Mitgift abzutreiben. Und es spiegelt sich in der Ablehnung von Homosexuellen wieder.

Schwule und Lesben empfinden den Richterspruch als niederschmetternd - verständlich. Allerdings hat die Justiz kein Werteurteil gefällt. Sie erklärt vielmehr die Gesetzeslage, die noch auf die britische Kolonialzeit zurückgeht und reformiert gehört. Die Richter erinnern das Parlament eindringlich daran, dass es das Strafgesetzbuch ändern kann.

Ob dies geschieht, ist zweifelhaft - angesichts einer Trägheit, die dem Gesetzgeber anhaftet. Aber die Richter verweisen eine zentrale gesellschaftspolitische Entscheidung dorthin, wo sie getroffen werden muss.

© SZ vom 12.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: