Hochwasser im Ostdeutschland:Binnen 30 Minuten abgesoffen

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"Viel gravierender als im Sommer 2002": Während man in Ostsachsen immer noch nicht fassen kann, wie schnell das Hochwasser kam, bereitet man sich in Brandenburg auf die Flut vor.

Christiane Kohl

"So schnell wie das Wasser hier ankam, das war beängstigend", sagt Stefan Hofmann, der in Klein Priebus an der Neiße eine Pension betreibt. "Binnen 30 Minuten" habe die sonst so friedlich daherfließende Neiße "etliche hundert Quadratmeter" Land überflutet. "Sie konnten gar nicht so schnell gucken, da war schon alles unter Wasser", berichtet Hofmann.

Zerstörung im Quadrat: Eine Gartensiedlung nahe Zittau im Osten Sachsens ist komplett vom Hochwasser der Neiße überspült. (Foto: dpa)

In der Nacht zum Montag, kurz vor Mitternacht, war in Klein Priebus, das einige Kilometer flussaufwärts von Bad Muskau liegt, ein Deich gebrochen - "da schwappte das Wasser mit einer Wucht hinunter, wie ich es im Leben noch nicht gesehen habe", sagt der Pensionswirt. Hofmann ist sich sicher: "Das ist hier viel gravierender" als im Sommer 2002, als vor allem das Elbegebiet betroffen war.

Auch Sabine Marko, die im benachbarten Ort Sagar wohnt, kann sich nicht erinnern, je ein stärkeres Hochwasser erlebt zu haben: "Was jetzt passiert, ist jedenfalls schlimmer als die Flut von 1981", die - noch zu DDR-Zeiten - den ganzen Neißeraum überflutet hatte. Ihr Schwiegersohn René Marko war als Mitglied des Ortsbeirats die ganze Nacht im Einsatz: "Ich habe so was noch nicht gesehen", meint er. Überflutete Wehre, Straßen, durch die Wasser gurgelt und die vielen Menschen, die aus ihren Häusern flüchteten: 40 Leute mussten in der Nacht zum Montag in der kleinen Neiße-Gemeinde in Sicherheit gebracht werden. Und dann ging auch noch das Licht aus, offenbar war Wasser in eine Trafo-Station geraten.

Und kurz bevor Feuerwehrleute, DRK-Helfer und Rettungsschwimmer im Einsatz waren, hatten sich auf den Feldern noch hektische Szenen abgespielt. "Da haben sie mit 30 Mann in kürzester Zeit ein Kartoffelfeld abgeerntet", erzählt Marko - sonst wäre die Ernte verloren gewesen. Die Agrargesellschaft Pechern, die aus einer früheren LPG hervorgegangen war und viel Land in der Region bewirtschaftet, dürfte besonders viele Flutschäden verzeichnen. Angebaut werden vor allem Gerste, Roggen und andere Getreidesorten, aber vor allem Kartoffeln.

Bis Montagmorgen waren die Pegel in der Neißeregion gestiegen, dann beruhigte sich die Flut. Dafür bereitete man sich nun in Brandenburg auf die Wassermassen vor. "So ein Hochwasser haben Spree und Neiße seit Jahrzehnten nicht erlebt", sagte der Präsident des Landesumweltamtes, Matthias Freude. Die Krisenstäbe bereiteten alles zum Schutz der Bevölkerung vor, auch mögliche Evakuierungen. "Die Oderdeiche haben die Flut im Juni überstanden, jetzt müssen die Spreedeiche ihre Bewährungsprobe bestehen."

Was an der Spree womöglich bevorsteht, ließ sich am Montag in Klein Priebus besichtigen. Dort hatte sich das Hochwasser in solcher Breite über Wiesen und Felder verteilt, dass auch der schwarzrotgoldene Grenzpfeiler, der die Landesgrenze nach Polen markiert, "mindestens 300 Meter weit im Wasser stand", sagt René Marko und kann es immer noch nicht fassen. Völlig überflutet wurde auch eine neue Brücke über den Fluss. Erst in ein paar Tagen werde man abschätzen können, ob "die Brücke noch mal völlig neu gebaut werden muss", sagt Marko.

Wasserzeit an der Neiße

Wie Perlen an einer Schnur reihen sich die Ortschaften Klein Priebus, Prodosche, Pechern und Sagar entlang des Neißeufers aneinander. Die Dörfer gehören zur Gemeinde Krausschwitz nahe Bad Muskau mit dem als Kulturwelterbe ausgewiesenen Parkgelände, das einst Fürst Pückler anlegen ließ. Weil man auch von den Touristen profitieren möchte, die Jahr für Jahr das Muskauer Schloss und den weltberühmten Park besuchen, hat sich Krausschwitz zum "Eiszeitdorf" erklärt, denn der Ort ruht geologisch auf einer durch eine "Gletscherzunge" hervorgerufene "Stauchendmoräne", wie es auf der Webseite heißt.

Doch nun ist erst mal Wasserzeit an der Neiße angesagt - und die ist dem Tourismus gar nicht förderlich, wie Pensionswirt Hofmann glaubt: "Das ist ein herber Rückschlag. Wir sind mitten in der Hochsaison, aber nun sind ja erst mal alle Sehenswürdigkeiten abgesoffen." So auch das Zisterzienserinnenkloster St. Marien in Ostritz. Das Klosterstift besteht aus einer Ansammlung von Barockbauten. Einige davon sollen schweren Schaden genommen haben. Genaueres wird sich jedoch erst nach näheren Untersuchungen sagen lassen.

Und während sie sich in der Neiße-Region ans Aufräumen machen, regt sich erste Kritik an den Behörden, man sei nicht rechtzeitig vor der Flut gewarnt worden. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) kündigte am Montag für die Opfer der Hochwasserkatastrophe ein Soforthilfeprogramm an. Für die Betroffenen solle es zinsverbilligte Darlehen im Volumen von 100 Millionen Euro geben.

© SZ vom 10.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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