Helmut Dietl schwer krank:"Krebs - das hat mir gerade noch gefehlt"

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Geringe Heilungschancen: Der Regisseur Helmut Dietl ist an Lungenkrebs erkrankt. (Foto: dpa)

Er habe in seinem Leben etwa eine Million Zigaretten geraucht: Regisseur Helmut Dietl spricht in der "Zeit" nicht nur sehr offen über seine Krebserkrankung, sondern auch über die Enttäuschungen seiner Karriere.

Von Christian Mayer

Helmut Dietl liebt seine Arbeit auf drastische Weise. In diese Arbeit - die großen Kinofilme wie "Schtonk" oder "Rossini", aber auch Fernsehserien wie "Monaco Franze" oder "Kir Royal" - hat er immer so viel Leidenschaft, so viel Lebenskraft und Energie gesteckt, dass man als Außenstehender manchmal besorgt sein musste. Weniger liebt er das Gerede über seine Person, die Spekulationen über den Menschen Helmut Dietl, der ja seit seinen Anfängen im Filmgeschäft für die Medien immer eine Reizfigur war, was auch an seiner lange erfolgreichen Taktik lag, die Neugier der Medien für seine Zwecke zu nutzen.

An diesem Donnerstag meldet sich der Regisseur Helmut Dietl nun selbst in der Zeit zu Wort. Nicht, weil er über einen neuen Film sprechen möchte, sondern weil er sehr krank ist, er hat Lungenkrebs. Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo hat Mitte des Monats ein langes, persönliches Gespräch mit Dietl in dessen Schwabinger Wohnung geführt - herausgekommen ist ein dreiseitiges Dossier, in dem der 69-Jährige mit schonungsloser Offenheit über seine Karriere und seine Krankheit spricht.

Anfang Oktober habe er die Diagnose von den Ärzten bekommen, "im günstigsten Fall" habe er eine Heilungschance von zehn Prozent, "eher darunter". Er selbst sei nicht überrascht gewesen: "Wenn man bedenkt, wie viel ich geraucht habe, dann ist es geradezu ein Wunder, dass es so lange gut gegangen ist." Dietl schätzt, dass er etwa eine Million Gitanes geraucht habe, bis er vor sechs Jahren mit den Zigaretten Schluss machte.

Im Gespräch klingt es so, als wolle er auf eine aufwendige Krebsbehandlung verzichten; eine Chemotherapie oder eine Bestrahlung sieht er skeptisch. Er habe den 2010 verstorbenen Theatermacher Christoph Schlingensief vor Augen, der seine Leidensgeschichte in einem Buch festgehalten hatte. "Man kann diesen Kampf führen - aber geht man gerne in einen Kampf mit einer zehnprozentigen Chance?"

"Ich kann nicht mehr so freundlich sein wie früher"

Der Filmemacher, der in vierter Ehe mit der Journalistin Tamara Dietl verheiratet ist und mit ihr eine zehnjährige Tochter hat, erzählt in dem Zeit-Gespräch auch über den großen Knick, der mit seinem letzten Kinofilm verbunden ist. "Zettl", eine bittere Gesellschaftskomödie, die im politischen Berlin spielt, wurde Anfang 2012 von der Kritik teilweise heftig verrissen und vom Publikum weitgehend ignoriert. Dietl berichtet, wie sehr ihn die Ablehnung getroffen habe. Und er deutet auch an, dass es einen Zusammenhang zwischen der Kränkung und dem Krankwerden geben könnte.

"Ich kann nicht mehr so freundlich sein wie früher", sagt Dietl, der bei dem Film persönlich eine halbe Million Euro Verlust gemacht hat. Mit dem Koproduzenten der zehn Millionen teuren Kinoproduktion, David Groenewold, einem Freund des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, gebe es keinen Kontakt mehr, mit ihm habe es im Nachhinein viel Ärger gegeben.

"Man enttäuscht selbst, und man wird enttäuscht", lautet Dietls lakonisches Fazit einer wechselvollen Filmkarriere. Überraschend mag für viele Leser die deutliche Abrechnung mit Bernd Eichinger sein - der einstige Freund starb 2011 an Herzversagen. Der Münchner Filmproduzent, dem Dietl mit seinem Film "Rossini" ein Denkmal setzte, habe sich mit zu vielen Opportunisten und Karrieristen umgeben. Besonders verhasst sei ihm Eichingers Hitler-Film "Der Untergang" gewesen: "Er wollte mich zwingen, den ,Untergang' zu mögen." Dabei könne man, so Dietl, keinen Film machen, "wo Hitler der Held ist".

Am Ende des Interviews erweist sich Dietl als humorvoller Melancholiker, fast wie eine seiner Figuren: "Krebs - das hat mir gerade noch gefehlt", so verabschiedet er den Besucher aus Hamburg. Er habe jetzt alles gesagt: "Ich möchte möglichst in Ruhe gelassen werden." Helmut Dietl, so sieht es aus, will weiter die Regie über sein Leben behalten.

© SZ vom 28.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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