Hamburg:Mord im Klassenzimmer

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In einem der Container, die auf dem Gelände einer Hamburger Schule aufgestellt wurden, kam es zu der tödlichen Messerattacke. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

In einer Schule im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg ersticht ein 17-Jähriger einen gleichaltrigen Mitschüler. Der Täter lässt sich danach widerstandslos festnehmen.

Von Thomas Hahn, Hamburg

An der Nelson-Mandela-Schule im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg ist es am Dienstagvormittag zu einem tödlichen Zwischenfall gekommen. Dabei kam ein 17-jähriger Schüler aus Afghanistan ums Leben. Nach ersten Erkenntnissen war der Täter ein ebenfalls 17-Jähriger Afghane, der während eines Deutschkurses in einem Klassenzimmer mit einem Messer auf den Mitschüler einstach. Das Opfer verstarb wenig später am Tatort. Die anderen Schüler, die im Klassenzimmer Zeugen der Tat geworden waren, flohen. Sie müssen so überrascht gewesen sein, dass sie den Angriff nicht verhindern konnten. Der Angreifer selbst blieb. Er leistete keinen Widerstand, als Polizeibeamte kamen und ihn vorläufig festnahmen.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg und die Mordkommission im Landeskriminalamt nahmen umgehend Ermittlungen auf. Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams kümmerten sich um die Schüler, die die Tat erlebt hatten. Eine Schülerin erlitt einen Schock. Das spätere Opfer sei wohl, wie die Polizei am Abend mitteilte, in einer Pause in den Klassenraum des mutmaßlichen Täters gegangen, um mit ihm zu reden. Während des Gesprächs soll der 17-Jährige mit einem Küchenmesser unvermittelt zugestochen haben; worum es in dem Gespräch ging, war zunächst unklar.

Lähmendes Entsetzen und Unverständnis lag über der Schule an der Prassekstraße des Stadtteils Wilhelmsburg, aber doch passte diese Tat mitten im Schulbetrieb auf schreckliche Weise zu dem schlechten Image, das dem flächenmaßig größten Stadtteil Hamburgs anhaftet. Wilhelmsburg gilt als einer der sozialen Brennpunkte, hier leben viele Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund, die sich teilweise an den Rand der wohlhabenden Hafenmetropole gedrängt fühlen. Wilhelmsburg steht für die andere Seite der stolzen, vornehmen Hansestadt, die ihre Einwohner gerne "die schönste Stadt der Welt" nennen und die sich in den nächsten Jahren an das teure Mammutprojekt Olympische Spiele heranwagen will.

Bald erschien Hamburgs erster Bürgermeister Olaf Scholz am Tatort. Seine Miene war sehr ernst, die Betroffenheit war ihm deutlich anzusehen. Er musste ihm vorkommen, als habe ihn die Wirklichkeit rüde aus einem ausdauernden Hoch geholt. Scholz war erst kürzlich der strahlende Sieger der Bürgerschaftswahl und durfte Hamburgs Kür zum deutschen Olympia-Bewerber erleben. Jetzt musste er eine Katastrophe kommentieren. Er tat dies in angemessenen Worten. "Ein Schatten ist auf unsere Stadt gefallen", sagte er. "Wir stehen erschüttert vor einer Gewalttat, die uns fassungslos macht. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen und Freunden des toten Jungen, den Mitschülern und bei allen, die an der hoch anerkannten Nelson-Mandela-Schule täglich für unsere Kinder arbeiten." Auch Schulsenator Ties Rabe und Innensenator Michael Neumann eilten zum Tatort.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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