Allerdings, sagt Richard Lugner, der Brief an Scientology stamme von ihm selbst. "Die waren immer nett zu mir, deshalb habe ich denen auch etwas Nettes geschrieben." Der 79-jährige Wiener Bauunternehmer, Spitzname "Mörtel", hat eines von Tausenden Schreiben verfasst, die seit dem Wochenende im Netz abrufbar sind und von Mitgliedern der Sekte selbst stammen oder an diese geschickt worden sein sollen.
Veröffentlicht hat die mehrere Gigabyte große Datenmenge die Hackervereinigung Anonymous. "Das ist der E-Mail-Verkehr von Scientology Österreich (2010-2011)", heißt es über der Textsammlung im Netz. Eine Begründung für ihre Aktion liefern die Hacker auch: "Sie sind böse. Sie sind gefährlich. Jeder muss das wissen."
Richard Lugner weiß von alledem nichts, sagt er. Der Unternehmer, der vor allem dafür bekannt ist, dass er sich zum Wiener Opernball jedes Jahr eine andere, aus seiner Sicht schillernde Begleitung einkauft, sagte der SZ am Montag auf Anfrage, dass er kein Mitglied der Sekte sei, aber selbst "noch nie schlechte Erfahrungen" mit ihr gemacht habe.
Kaum bekannte Unterstützer
Entsprechend liest sich sein Glückwunschschreiben vom 2. Februar 2011 an den Präsidenten der nach dem Sektengründer benannten L. Ron Hubbard Stiftung: "Sehr geehrter Herr Präsident! Nachdem L. Ron Hubbard für viele Menschen wie Drogenabhängige, Häftlinge, eben Menschen, die einer Hilfe bedürfen, durch seinen von Religionen unabhängigen Moralkodex geholfen hat, wünsche ich Ihrer Organisation auch für die Zukunft alles Gute. Vor allem auch die von vielen Neidern immer wieder erhobenen Anfeindungen mögen von den guten Taten überstrahlt und damit ad Absurdum geführt werden."
Ein Prominenter tritt für Scientology ein: Das ist aus Sicht der Sekte der ultimative Glücksfall. Seit Jahrzehnten buhlt sie um Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, unter anderem mit eigenen "Celebrity Centers". In den USA hatte Scientology eine Weile Erfolg mit der Werbeoffensive, wobei zu großen Namen wie Tom Cruise oder John Travolta in jüngster Zeit kein nennenswerter Neuling hinzugekommen ist.
In Europa, wo die Sekte kritischer beäugt wird, gibt es kaum bekannte Unterstützer. Zu ramponiert ist hier der Ruf der selbst ernannten Kirche, der Politiker und Aussteiger Abzockerei, Psychodruck und gnadenlosen Umgang mit Kritikern vorwerfen. Auch deshalb ist das Schreiben von "Mörtel" Lugner so bemerkenswert.
Er sei von Scientology gebeten worden, das Glückwunschtelegramm zu verfassen, sagt der Unternehmer. Der Kontakt sei aber nur lose gewesen; seither habe er nichts mehr von der Sekte gehört. Kennengelernt habe man sich über einen Arzt, der früher mal in seinem Einkaufszentrum, der "Lugner City", gearbeitet habe. Der sei Scientologe gewesen, "ein netter Kerl, Alternativmediziner".
Irgendwann sei er, Lugner, gefragt worden, ob Scientology auf seinem Grundstück nicht mal ein Zelt aufbauen könne, "um die Öffentlichkeit über ihre Arbeit nach den Anschlägen des 11. September in New York zu informieren". Er habe nicht gewusst, was dagegen spräche. Er sei zwar mal gewarnt worden, auch von der Polizei ("Mörtel, die sind gefährlich"), aber wie gesagt: "Ich habe nur gute Erfahrungen gemacht." Nach dem Zeltaufbau sei er dann noch zwei Mal eingeladen worden. "Da haben die mich gleich auf die Bühne geholt, obwohl ich gar nicht wollte." Lugner lacht.
Bisher ist der Unternehmer der einzige bekannte Österreicher, den die Anonymous-Leute in ihrem Berg von angeblich rund 25.000 E-Mails ausfindig machen konnten. Ein erster Blick in einen der Ordner zeigt vor allem interne Mails, in denen es um Spendenbeträge, Einladungen zum Essen und andere Kleinigkeiten geht. Vieles davon ist in dem schwer verständlichen Scientology-typischen Kauderwelsch verfasst ("Das Disagreement, dass wir nicht jede Woche 2 bis 10 Leute für PE-Kurs haben, hat nichts mit diesem CSW zu tun").
Die Sekte selbst hat die Anonymous-Aktion scharf verurteilt. Ein Sprecher verwies darauf, dass deren Mitglieder wegen ähnlicher "krimineller Hacker-Aktivitäten" in den USA bereits zu Gefängnisstrafen verurteilt worden seien. Ob die nun veröffentlichten Mails wirklich von Scientology stammen, werde noch geprüft: "Die Österreichische Kirche wird sicherlich dagegen strafrechtlich vorgehen, wenn dies wirklich geschehen und nicht reine Angeberei (. . .) ist."
Das Schreiben des prominentesten Hacker-Opfers ist auf jeden Fall echt. Das gibt Richard Lugner selbst zu. Und es ist anzunehmen, dass Scientology mit dieser Veröffentlichung kein Problem hat, ganz im Gegenteil.