Ein Fahrschulauto kommt angefahren, der Wagen hält, Lehrer und Schüler steigen aus, zünden sich eine Zigarette an, schauen auf das Haus und rauchen. Dortmund hat eine Attraktion, das Haus in der Fichtestraße 18, das Haus in dem am Freitag drei Kinder starben. Auch am Donnerstag ist die Polizei noch in der Wohnung, sichert die Spuren, was es an Spuren noch zu sichern gibt. Die Ermittler haben sich nun auch noch entschieden, den ganzen Keller zu entrümpeln, auf der Suche nach etwas, das erklären soll, wie Silan, Mustafa und Mehmet starben und warum.
Die Kinder wurden mittlerweile in der Türkei beerdigt, am Mittwoch hatte es noch eine Trauerfeier gegeben in der alevitischen Gemeinde in Dortmund. "Wir müssen mit großer Trauer und Betroffenheit Abschied von drei fröhlichen und liebenswerten Kindern nehmen, die für uns alle unfassbar aus unserer Mitte gerissen wurden", sagte Oberbürgermeister Ulrich Sierau bei der Feier.
Das ihm unterstellte Jugendamt hatte lange geschwiegen zu der Frage, wie intensiv der Kontakt war zur Familie der Kinder. Nachbarn hatten berichtet, sie hätten das Jugendamt mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass der Vater Muharrem T. öfters abwesend gewesen sei und die Kinder sich selbst überlassen. Dem widerspricht die Stadt nun, solche Meldungen habe es nie gegeben. Vielmehr sei das Jugendamt Ende 2011 über den Zuzug der Familie und den tragischen Tod der Mutter informiert worden - die 28-Jährige war vom Balkon gestürzt. Die Familie hatte deshalb Hilfe bei Behördengängen und der Bewältigung des Traumas erhalten.
Im Frühjahr 2012, als der Vater für einige Tage ins Gefängnis musste und ankündigte, die Kinder in die Türkei bringen zu wollen, wurde sein Sorgerecht eingeschränkt und eine Ergänzungspflegerin eingeschaltet. Diese Mitarbeiterin besuchte die Wohnung der Kinder, auch bei Schulen und Kindergärten wurde nachgefragt, ob es Probleme gebe. "Von dort wurde nicht über nennenswerte Auffälligkeiten berichtet - mal eine Verspätung, mal ein Fehltag (meist mit Entschuldigung am Folgetag), Dinge, die jeden Tag bei Tausenden von Kindern vorkommen", so das Fazit des Jugendamtes.
Keine Hinweise auf Kindeswohlgefährdung
Ein Gericht hebt die Einschränkung des Sorgerechts wieder auf, ausgerechnet am 29.2, dem Tag an dem die Wohnung der Familie T. das erste Mal ausbrennt, ein zündelndes Kind soll das Feuer verursacht haben. Den Brand meldet damals die 29-jährige Lebensgefährtin Milka D. dem Jugendamt, eine gebürtige Bulgarin. Sie ist seit Freitag in Haft, die Staatsanwaltschaft sieht einen dringenden Tatverdacht, dass sie die Kinder erstochen und ein Feuer gelegt hat. Nur ein Motiv gibt es noch nicht. Wollte sie nicht, dass ihr Freund wegen der Kinder in die Türkei zurückgeht?
Milka D. hat auf das Jugendamt damals einen guten Eindruck gemacht, sie spricht besser Deutsch als ihr Freund und übersetzte in den Gesprächen mit der Behörde. Sie hatte - wie auch der Vater der Kinder - keine regelmäßige Beschäftigungen. Milka D. hatte einige Vorstrafen, "Kleinkrams", sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Schwarzfahren und andere kleinere Vergehen.
Viele Umzüge, der Tod der Mutter, eine Gefängnisstrafe des Vaters und seine mangelnden Sprachkenntnisse - vieles lief nicht gerade optimal in der Familie der Kinder. Das Jugendamt sagt, es habe aber keinerlei Hinweise auf eine Gefährdung des Kindeswohls gegeben. "Die Interaktion zwischen Vater und Kindern war liebevoll."