Fotografie:"Ich bin kein Voyeur": Bettina Rheims fotografiert nackte Frauen für Frauen

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Bettina Rheims neuer Bildband erscheint im Taschen-Verlag. (Foto: Bettina Rheims)

Die Fotografin wurde mit ihren provokant-erotischen Werken weltberühmt.

Von Harald Hordych

Bettina Rheims gehört zu den berühmtesten Fotografen der Welt. Vor allem mit ihren provokant-erotischen Fotografien schaffte sie es, einen unverwechselbaren Stil zu kreieren. 1992 brachte sie gemeinsam mit ihrem zweiten Mann Serge Bramly den Fotoband "Chambre Close" heraus, in dem der Text ihres Mannes und ihre Fotos gleichberechtigt nebeneinander stehen. Bramlys Text ist das Tagebuch eines bürgerlich lebenden Mannes und fotografierenden Voyeurs, der davon besessen ist, jede erdenkliche Frau, die ihm begegnet, nackt abzulichten. Gespiegelt werden die Aufzeichnungen von den Fotos, die Bettina Rheims hauptsächlich in schäbigen Hotelzimmern angefertigt hat, wo sich junge Frauen in mitunter obszönen Posen entblößen. Dieser Band machte die Pariserin mit einem Schlag zum Star.

Ihre Ikonografie der Nacktheit, die sie auch in späteren Büchern fortsetzte, prägte ihren Ruf. Aber diese Festlegung auf einen unverkennbar wesentlichen Aspekt ihres Schaffens schränkt zwangsläufig auch den Blick auf ihr Werk ein, das in einem großen Band des Taschen-Verlags Werke aus nahezu 40 Jahren exemplarisch versammelt ist. Glamour- und Werbefotografie sowie zahlreiche Porträts großer Künstler waren immer ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. Ministerpräsident Jacque Chirac besuchte sie, als er noch Bürgermeister von Paris war, oft in ihrem Studio.

Bettina Rheims
:"Erschöpft von der Lust"

Bettina Rheims Fotos zeigen viel nackte Haut. Die Erotik, die ihre Bilder vermitteln, komme aber von etwas anderem, sagt sie.

Dort wohnt und arbeitet Bettina Rheims noch immer. Das Atelier liegt versteckt in einem Pariser Hinterhof im vierten Arrondissement, einem der lebhaftesten Bezirke der Metropole. Wohin man sieht kleine Geschäfte, Bars und Restaurants, es ist jenes Paris, in dem man sich sofort niederlassen möchte und nie wieder fortgehen will. Ein Anruf auf ihrem Handy und die Tür wird geöffnet. Zunächst ist das Ambiente unspektakulär, fast nüchtern. Es geht vorbei am Empfang, ein langer Gang, winklig und schmal, mit niedriger Decke führt zu ihrem Atelier. An den Wänden hängen überall Abzüge befreundeter Fotografen, von Helmut Newton zum Beispiel. Viele zeigen nackte Frauen.

Nacktheit? "Das langweilt mich", sagt Rheims

Dann die Überraschung: Ein riesiger Raum öffnet sich dem Besucher, die deckenhohen Regale vollgestopft mit Fotobänden, eine Glasfront gibt den Blick frei auf einen Innenhof, der mit seinen Palmen und Farnen in Mallorca liegen könnte. Bettina Rheims sitzt auf einem breiten Sofa, das Tageslicht im Rücken und ist offen für viele Fragen - aber auch leicht reizbar, wenn allzu vertiefend das Thema Nacktheit umkreist wird. "Ständig werde ich auf dieses Thema angesprochen!", ruft sie. "Das langweilt mich." Und dann versteht sie doch, warum dieser Komplex so stark mit ihren Arbeiten verknüpft wird. Ein großformatiges Bild aus der jüngsten Serie mit englischen It-Girls ist das zentrale Bild im Raum. Die Brüste der Frau sind entblößt.

Bettina versteht und nickt und erklärt ihre Idee: "In Anzeigen und in der Vogue finden Sie mehr nackte Frauen als bei mir. Es geht nicht darum, dass sie die Kleider ablegen. Das meiste an sexueller Energie, die von den Frauen auf meinen Fotos ausgeht, kommt von einer Geste, vom Look, von etwas anderem als der Nacktheit. Das wäre zu einfach und das wäre auch dumm."

Frauen schätzen ihre Werke mehr als Männer

So wird aus dieser zweistündigen Begegnung doch ein Gespräch über das Geheimnis, das der Entblößung und Verhüllung innewohnen kann, mit der überraschenden Erkenntnis, dass Bettina Rheims ("Jetzt haben wir ja fünf Minuten mal nicht über Sex gesprochen!") immer Frauen für Frauen fotografiert und nicht für Männer und dass Frauen ihr Werk weitaus mehr schätzen als Männer das tun. Und dass der wesentliche Grund, warum Frauen in ihr Studio kamen und sich ihr gegenüber stets mit der Bereitschaft geöffnet haben, etwas preis zu geben, darin liege, dass sie selbst eine Frau ist. "Ich bin kein Voyeur."

Und trotzdem liebt diese Frau es, Frauen aussehen zu lassen, "als wäre es jetzt drei Uhr nachts und sie kämen gerade aus dem Bett eines anderen. Erschöpft von der Lust."

Am Ende führt sie ihren Besucher in ihr Studio, in dem die meisten ihrer Fotos entstanden sind. Ein großer leerer Raum, hohe Decken, nüchtern, unromantisch, eine Werkstatt ohne Werkzeug. So erlebt sie auch ihre Arbeit, wenn sie in morgens mit Armeestiefeln betritt, ein leeres Blatt Papier, bereit für ihren persönlichen Krieg, in den sie zieht und in dem sie "nicht getötet werden will".

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