Flutkatastrophe in Erftstadt:Durchsuchungen bei Tagebau-Betreiber nach Erdrutsch

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Eine Luftaufnahme zeigt das Ausmaß der Überschwemmungen und des Erdrutsches in Erftstadt-Blessem. (Foto: Rhein-Erft-Kreis/dpa)

Hat menschliches Fehlverhalten den gewaltigen Erdrutsch an einer Kiesgrube während des Hochwassers im Juli 2021 mit verursacht? Die Ermittler gehen nun mit Durchsuchungen gegen Verdächtige vor.

Wegen des schweren Erdrutschs in Erftstadt während der Flutkatastrophe im Sommer 2021 sind Ermittler mit Durchsuchungen gegen mehrere Verdächtige vorgegangen. Mehr als 140 Beamtinnen und Beamte der Polizei durchsuchten am Dienstagvormittag mehr als 20 Büro- und Wohnhäuser, teilte die zuständige Staatsanwaltschaft mit.

Das Verfahren richte sich gegen den Eigentümer und Verpächter des Tagebaus in Erftstadt, fünf Beschuldigte des Betreibers sowie vier Beschuldigte der Bezirksregierung Arnsberg, die nach dem Bundesberggesetz die zuständige Aufsichts- und Genehmigungsbehörde sei.

In Erftstadt-Blessem nahe Köln war in der Nacht zum 16. Juli 2021 der Boden nahe einer Kiesgrube am Fluss Erft weggerutscht, nachdem Starkregen die Grube geflutet hatte. Unwetter mit ungewöhnlich starken Regenfällen hatten damals in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine Hochwasserkatastrophe ausgelöst. An der Kiesgrube in Erftstadt wurden mehrere Gebäude mitgerissen. Tote gab es nicht. Das Bild des gewaltigen Kraters blieb aber in Erinnerung.

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Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen des Verdachts des fahrlässigen Herbeiführens einer Überschwemmung durch Unterlassen, der Baugefährdung sowie Verstoßes gegen das Bundesberggesetz. Den bisherigen Ermittlungen zufolge könnte sich am Südrand des "Altbereichs" der betroffenen Kiesgrube kein den Bestimmungen entsprechender Hochwasserschutzwall befunden haben, ebenso unzulässig steile Böschungen, so die Ermittler. Beide Aspekte könnten die Ursache für das Eindringen großer Wassermassen in die Kiesgrube gewesen sein.

"Es besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten die Zustände an dem Hochwasserschutzwall und den Grubenböschungen aufgrund ihrer beruflichen Befassung mit der Kiesgrube hätten erkennen und für Abhilfe hätten sorgen können und müssen", erklärte der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer zu den Vorwürfen. Die Beschuldigten seien zwischen 29 und 65 Jahre alt. Mehrere Sachverständige waren zur Klärung der Verantwortlichkeiten eingeschaltet worden. Zu Beginn hatte sich das Verfahren noch gegen unbekannt gerichtet.

Durchsucht wurden am Dienstag vor allem Räumlichkeiten in Bergheim, Erftstadt, Köln und Dortmund. In Bergheim bei Köln habe die Betreibergesellschaft ihren Sitz, so die Staatsanwaltschaft. Allerdings seien - "zur Auffindung und Sicherstellung verfahrensrelevanter Unterlagen" - auch Räume unverdächtiger Beratungs- und Tiefbauunternehmen sowie Sachverständigen- und Vermessungsbüros durchsucht worden. Ein durchsuchtes Objekt befand sich in Thüringen. Dort befinde sich die Zweigstelle eines Beratungsunternehmens.

"Die heutigen Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft kommen nicht überraschend", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im NRW-Landtag, Wibke Bruns. Es stehe die Frage im Raum, "wie es dazu kommen konnte, dass bei der Kiesgrube in Erftstadt-Blessem über 20 Jahre hinweg Genehmigungen immer wieder verlängert oder sogar neu erteilt wurden, obwohl die geforderten Maßnahmen zum Ausgleich des Überschwemmungsgebietes bis heute nicht umgesetzt wurden", so Bruns. Die Interessen der Allgemeinheit dürften nicht hinter den Interessen des Bergbaus zurückstehen.

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