Flensburg:Mörder verlässt Gericht als freier Mann

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Richterin Birte Babener im Flensburger Landgericht. (Foto: dpa)
  • In Flensburg ist ein 52-Jähriger wegen Mordes zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden.
  • Er hatte als Jugendlicher eine Rentnerin ermordet - deswegen wird er nach Jugendstrafrecht verurteilt. Beim Strafmaß bleibt dem Gericht wenig Spielraum.
  • Die Richterin hat hörbar Mühe, von einem "gerechten Schuldausgleich" zu sprechen.

Wegen Mordes an einer Rentnerin vor 35 Jahren hat das Landgericht Flensburg einen Familienvater zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Die Kammer ist davon überzeugt, dass er die damals 73-jährige Frau 1982 in ihrer Schleswiger Wohnung bestohlen und mit einem Kissen erstickt hatte. "Er verschloss ihre Atemwege auch dann noch, als sie bereits in Ohnmacht gefallen war und würgte", sagte Richterin Birte Babener.

Eine Verurteilung wegen Mordes zieht in den allermeisten Fällen ein lebenslange Freiheitsstrafe nach sich. Dieser Fall liegt jedoch anders. Da der heute 52-Jährige zur Tatzeit erst 17 Jahre alt war, wurde er nach Jugendstrafrecht verurteilt. Für ein anderes Tötungsdelikt hatte er 1986 bereits eine Jugendstrafe von acht Jahren erhalten. Deshalb konnte die Kammer jetzt nur noch eine Strafe von zwei Jahren verhängen, weil das Jugendstrafrecht insgesamt maximal zehn Jahre Haft erlaubt.

"Das kann man nicht aufarbeiten"

Richterin Babener hatte hörbar Mühe, als sie in der Urteilsbegründung von einem "gerechten Schuldausgleich" im Rahmen des Strafrahmens sprach. Dem inzwischen 75-jährigen Sohn des Opfers war es im Prozess schwer gefallen, zu schildern, wie er seine Mutter damals leblos gefunden hatte. "Das kann man nicht aufarbeiten, so was vergisst man nicht."

"Er ist wegen Mordes verurteilt worden, aber kann heute Abend nach Hause fahren", fasste Anwalt Sönke Husfeld das Urteil für seinen Mandanten zusammen. Die Festnahme hatte den Mann im Sommer 2016 plötzlich aus Familie und Beruf gerissen, in einem Ort, in dem man sich kennt. Seine Lebensgefährtin, mit der er seit 19 Jahren liiert ist, versicherte ihm in einem in der Verhandlung verlesenen Brief: "Egal, was dabei rauskommt, ich liebe Dich."

"Ich musste schwer schlucken und mich sammeln", sagte Staatsanwalt Axel Schmidt, nachdem er erkannt hatte, dass der Angeklagte mit einer milden Strafe davon kommt. Denn auch für die Vollstreckung der Haft sahen Staatsanwaltschaft und Kammer im Jugendrecht keine Grundlage. Die Sozialprognose ist gut, mit erzieherischen Gründen konnten sie bei einem über 50-Jährigen nicht argumentieren - und die Schwere der Schuld, mit der bei Erwachsenen von der Bewährung abgesehen werden kann, greift bei Jugendlichen nicht.

Die Bewährungsstrafe nimmt im Jugendstrafrecht eine besondere Stellung ein. Sie ist aber nur möglich, wenn eine Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren ausgesprochen wird.

Ihm falle es nicht leicht, über die Tat zu reden, hatte der Täter, der jahrelang zu viel Alkohol trank und viele Jahre seiner Kindheit in einem Heim lebte, im Prozess gesagt. "Ich spreche nicht mal mit meiner eigenen Familie." Dabei sei ihm die Tat "die ganzen Jahre nicht aus dem Kopf gegangen". "Auf der Arbeit, nach der Arbeit habe ich mich zulaufen lassen." Die jahrelange Angst, wegen des Mordes wieder hinter Gitter zu müssen, ist weg, sobald das Urteil rechtskräftig wird und er sich an die Bewährungsauflagen hält. Zum Ende der Verhandlung sagte er: "Es tut mir leid." Er bereue, was er der Familie des Opfers angetan habe. "Die Schuld", so Anwalt Husfeld, "trägt er sein Leben lang mit sich". Auch nach 35 Jahren.

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