Fall Maria Bögerl:Polizei lässt Verdächtigen im Fall Bögerl wieder frei

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  • Der Verdacht gegen einen im Fall der vor sieben Jahren ermordeten Bankiersgattin Maria Bögerl festgenommenen Mann hat sich nicht erhärtet. Er wurde wieder freigelassen.
  • Seine DNA stimmt nicht mit am Tatort gesicherten Spuren des mutmaßlichen Täters überein.
  • Der Mann war nach einem betrunkenen Geständnis und einer öffentlichen Fahndung am Mittwochabend festgenommen worden.

Von Oliver Klasen und Anna Fischhaber

Es ist einer der rätselhaftesten Kriminalfälle in Deutschland: Maria Bögerl, Ehefrau eines Sparkassendirektors, wird im Mai 2010 in ihrem Haus im baden-württembergischen Heidenheim von einem unbekannten Täter überrascht, entführt und drei Wochen später in einem Waldstück tot aufgefunden.

Die Polizei gründet eine Sonderkommission, veranlasst später einen Massen-DNA-Test, mehrfach wird der Fall in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" thematisiert, selbst Ehemann und Kinder der Bankiersgattin geraten kurzzeitig in Verdacht. Alles am Ende ohne greifbares Ergebnis.

Erst jetzt, fast sieben Jahre nach der Tat, gibt es eine neue Entwicklung. Am Mittwochabend nimmt die Polizei nahe Heidenheim einen 47-jährigen Mann fest. Doch der Tatverdacht erhärtet sich nicht: "Die Analyse ergab keine Übereinstimmung der analysierten DNA mit der am Tatort gesicherten DNA-Spuren des mutmaßlichen Täters", heißt es am Donnerstagmittag in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Inzwischen sei der Mann freigelassen worden, sagte Staatsanwalt Armin Burger.

Baden-Württemberg
:Verdächtiger im Mordfall Maria Bögerl bestreitet die Tat

Sieben Jahre ist der Mord an der Bankiersfrau her. Seit gestern hatte die Polizei öffentlich nach einem Mann gefahndet. Er soll in einem Gespräch Täterwissen offenbart haben.

Noch Stunden zuvor sah es so aus, als stünde der Fall kurz vor der Aufklärung: Die Ermittler waren mit einem Phantombild an die Öffentlichkeit gegangen und hatten den Fall in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" vorgestellt.

Die Hoffnung der Polizei stützte sich auf ein Ereignis im Juli vergangenen Jahres. Ein offensichtlich Betrunkener wendet sich im westfälischen Hagen - also mehr als 500 Kilometer von dem Ort entfernt, an dem Maria Bögerl entführt wurde - an zwei Männer, denen er zufällig auf der Straße begegnet. Der Betrunkene spricht breiten schwäbischen Dialekt, er erzählt einiges, was die Männer zunächst nicht deuten können, aber im Laufe des Gesprächs, das erkennen die beiden Zeugen irgendwann, gesteht er offenbar ein Verbrechen.

Er habe die Familie Bögerl gehasst und Maria Bögerl getötet. Er erzählt, dass er aus einem Ort namens Ochsenberg komme, dass er dort im Wald fast jeden Weg und Baum kenne, dass er früher bei der Bundeswehr war, dort einen speziellen Lehrgang absolviert habe und er spricht von einem bestimmten Messer.

Die beiden Männer in Hagen lassen heimlich die Tonaufzeichnung ihres Smartphones mitlaufen. Den Mitschnitt übergeben sie später der Polizei. Außerdem können sie den Mann sehr gut beschreiben. Es entsteht ein aussagekräftiges Phantombild, mit dem die Ermittler schließlich an diesem Mittwoch an die Öffentlichkeit gegangen sind. Warum sie damit so lange gewartet haben, ist unklar.

"Es gibt ziemlich viele Rätsel in diesem Fall", sagt der Kriminalpsychologe Rudolf Egg auf Anfrage der SZ. "Das Geständnis ist ein dreiviertel Jahr her, warum hat die Polizei so lange mit ihrer Fahndung gewartet? Und warum haben die zwei Männer das Gespräch überhaupt mit dem Handy heimlich aufgenommen? Das ist doch ziemlich bizarr", so Egg.

Mehr als 180 Hinweise

Kurz nach der "Aktenzeichen XY"-Sendung erscheint der Ansatz der Polizei erst einmal vielversprechend. Mehr als 180 Anrufe gehen ein. Entscheidend ist offenbar die Audioaufnahme, 60 Zeugen hatten laut Staatsanwaltschaft die Sprachaufzeichnung erkannt. Wenige Stunden später gelingt der Polizei die Festnahme.

Alles sieht nun danach aus, als kämen der Ermittler nach sieben Jahren langer Ermittlungen ans Ziel. Etliche Pannen hatte es bis dahin gegeben. Die Kinder von Maria Bögerl erhoben einige Jahre nach der Tat schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Sie sprachen unter anderem von schlampiger Spurensicherung und kritisierten, ihr Vater sei bei der Geldbeschaffung und bei der Geldübergabe völlig auf sich allein gestellt gewesen. Die Polizei habe sich allzu verdächtig verhalten. Außerdem hätten die Ermittler die Familie nicht ausreichend geschützt vor dem gewaltigen Medieninteresse und den Gerüchten, dass sie möglicherweise selbst etwas mit dem Verbrechen zu tun gehabt haben könnten.

Doch nun scheint klar: Auch diese Spur verläuft im Nichts.

Kriminalpsychologe Egg überrascht das wenig: "Wir erleben bei spektakulären Kriminalfällen häufig, dass sich Menschen fälschlicherweise bezichtigen. Sie wollen sich wichtigmachen und prahlen damit, die Tat begangen zu haben."

Für die Polizei sei das besonders schwierig. Sie müsse dann herausfinden, was wahr ist - und was nicht. Dabei seien DNA-Proben oft eine große Hilfe. Auch Mitwisser einer Tat gäben oft den entscheidenden Tipp, etwa weil ihr Tatbeitrag verjährt ist und sie keine Bestrafung mehr zu befürchten haben.

Dass ein Mörder sein schlechtes Gewissen quäle und er nach Jahren doch noch ein Geständnis ablegt, kommt dagegen eher selten vor. "Meist haben Täter - sofern sie keine Serienkiller sind - sich mit ihrem Verbrechen arrangiert und es verdrängt. Sie denken kaum noch dran", sagt Egg. Viele reagierten dann überrascht, wenn ihnen die Polizei nach Jahren doch noch auf die Spur komme.

Dass der DNA-Abgleich im Fall Bögerl negativ sei, müsse allerdings nicht automatisch heißen, dass der Festgenommene nichts mit dem Fall zu tun habe, sagt der Kriminalpsychologe: "Es könnte ja sein, dass es mehrere Täter gab und er doch etwas zu dem Fall sagen kann."

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