Eurovision Song Contest:Nichts fürs Herz

Lesezeit: 2 min

2016 siegte die Ukrainerin Jamala beim Eurovision Song Contest, jetzt bräuchte ihr Land einen Goldregen. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Bei der Vorbereitung des ESC geht es in Kiew keineswegs schnulzig zu. Die Ausrichtung des Schlagerwettbewerbs in Kiew ist derzeit ein ziemliches Chaoskommando.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Der Selbstversuch scheitert prompt: "We are offline now", derzeit nicht erreichbar, steht auf der ukrainischen Website Concert.ua, auf der eigentlich seit einigen Tagen Tickets für den Eurovision Song Contest (ESC) erhältlich sein sollten. Ein kleiner Trost folgt, direkt unter der Botschaft, dass gerade nichts geht: "Sie können eine Nachricht hinterlassen."

Die Option dürfte kaum tröstlich sein. Vermutlich wollen die wenigsten Fans des ESC der Ticketagentur in Kiew eine Nachricht hinterlassen. Noch dazu läuft nicht nur der Kartenverkauf für das europäische Großereignis, das diesmal in der ukrainischen Hauptstadt stattfinden soll, mehr als holprig, sondern vieles andere auch. Die Ausrichtung des Schlagerwettbewerbs in Kiew ist derzeit ein ziemliches Chaoskommando; zahlreiche Ausschreibungen, darunter auch die für den Kartenverkauf, sind kurzfristig für ungültig erklärt worden. Dabei brauchen die Ausrichter das Geld für die 70 000 Tickets, die bis Anfang Mai verkauft werden sollen, dringend.

Als die Krimtatarin Jamala 2016 in Stockholm mit ihrem sehr politischen Song "1944" siegte, war die Begeisterung in der Ukraine groß gewesen. Der Erfolg eines Liedes, das am Beispiel von Jamalas Großmutter von der Deportation der Krimtataren unter Stalin erzählte, galt als politischer Sieg über Moskau, das mit der Annexion der Krim 2014 Völkerrecht gebrochen hatte. Die Ukrainer betrachteten das Votum der ESC-Jurys auch als Solidaritätsbekundung für ihr gebeuteltes Land.

Aber das war Symbolpolitik, nun geht es ums Geschäft. Die Ausrichtung des ESC ist teuer, zuletzt kostete das Mega-Event bis zu 25 Millionen Euro - Geld, das die arme Ukraine nicht hat. Nach langem Ringen verabschiedete das Parlament im November ein Gesetz, mit dem 15 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt zur Finanzierung des ESC bereitgestellt werden. Partner der European Broadcasting Union, der EBU, für diese Eurovisions-Veranstaltung ist der öffentlich-rechtliche ukrainische Sender NTU. Der Sender ist klein und arm, seine Technik ist alt, das große Geld wird im ukrainischen Fernsehen von Privatsendern in Oligarchenhand gemacht. Der letzte NTU-Chef hatte hingeschmissen, weil er nicht einsah, dass ein Großteil seines Budgets für den ESC draufgehen soll.

Nun will auch das Team nicht mehr weiterarbeiten, das für den Sender die teure und komplexe Show produzieren und organisieren sollte. Am 10. Februar haben 21 Mitarbeiter gekündigt, allen voran die langjährige Leiterin der ukrainischen ESC-Delegationen, Viktoria Romanova. Seit der Sender NTU einen neuen Vize habe, so schreiben es die Abtrünnigen in einem offenen Brief, seien Entscheidungen intransparent oder gar nicht gefallen, die Vorbereitungen massiv verschleppt, Kosten erhöht worden. Es geht also, wie so oft, um Geld, Macht und Einfluss.

Der staatliche Sender NTU gibt sich von all dem unbeeindruckt: Man werde neue Leute einstellen, aber es werde keine signifikanten Verzögerungen in der Planung geben, ließ er verlauten. Vielleicht sollte das Management mal versuchen, online eine Karte zu kaufen.

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: