Epidemie in Liberia:Ebola-Patienten fliehen aus Quarantänestation

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In Monrovia sind mehrere Ebola-Kranke aus einer Isolierstation geflohen. Die Behörden befürchten, dass sie in den dicht besiedelten Vierteln der liberianischen Hauptstadt noch mehr Menschen anstecken. Ein Verdachtsfall im spanischen Alicante bestätigt sich nicht.

Eine Menge aufgebrachter Anwohner im Bezirk West Point in Monrovia, der Hauptstadt Liberias. (Foto: Getty Images)
  • In Liberias Hauptstadt Monrovia sind mehrere bestätigte Ebola-Patienten aus einer Isolierstation geflohen.
  • Das Gesundheitsministerium fürchtet nun die unkontrollierte Ausbreitung des Virus' in der dicht besiedelten Stadt und kündigt an, einen ganzen Slum unter Quarantäne zu stellen.
  • In Nigeria legen immer mehr Mediziner aus Angst vor Ansteckung die Arbeit nieder.
  • Kenia schließt seine Grenzen für Reisende aus den von der Epidemie betroffenen Ländern.
  • Entwarnung im spanischen Alicante: Ein neuer Verdachtsfall bestätigt sich nicht.

Patienten fliehen mit Hilfe von Anwohnern

In einem Slum in Liberia hat eine aufgebrachte Menge eine Isolierstation gestürmt und mindestens 17 Ebola-Patienten zur Flucht verholfen. Die Patienten lagen auf der Quarantänestation einer Klinik in der Hauptstadt Monrovia, wie die Zeitung Front Page Africa berichtet. Unter den Patienten hätten einige bereits die bestätigte Diagnose Ebola, bei anderen bestehe der Verdacht auf die gefährliche Virus-Erkankung.

Bewaffnete Angreifer hätten die Türen aufgebrochen und die Krankenstation verwüstet, sagte die Augenzeugin Rebecca Wesseh. Alle Patienten seien geflohen. Der Chef des liberianischen Krankenpflegerverbandes, George Williams, bestätigte den Bericht. Demnach wurden zudem drei Infizierte von ihrem Familien aus der Isolierstation verschleppt.

Der Augenzeugin zufolge kamen die mit Knüppeln bewaffneten vornehmlich jungen Angreifer in der Nacht zum Sonntag und stürmten die Schule, die als Isolierstation diente. Sie riefen "Es gibt kein Ebola" in Liberia und warfen Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf vor, mit Berichten über Ebola lediglich internationale Gelder beschaffen zu wollen.

Pflege-Chef Williams berichtete, in die Isolierstation seien kürzlich 29 Kranke zur Behandlung des Ebola-Virus' gebracht worden. "Davon sind 17 gestern geflohen, neun sind seit vier Tagen tot und drei wurden gestern mit Gewalt von ihren Eltern weggbracht", sagte er. Wo sich die Geflohenen aufhielten, sei unklar.

Die Schule war erst vor Kurzem zur Isolierstation für Patienten umgebaut worden, die Symptome von Ebola zeigten. Alle 29 Erkrankten wurden Williams' Angaben zufolge positiv auf Ebola getestet.

Liberisches Gesundheitsministerium will gesamten Slum absperren

Nun wird befürchtet, dass die geflohenen Patienten weitere Menschen anstecken könnten. Der dicht besiedelte Slum West Point in Monrovia, wo sich der Vorfall ereignete, gilt als eines der Epizentren der Epidemie in der liberianischen Hauptstadt und liegt in der Nähe des Stadtzentrums. In dem Viertel leben rund 75 000 Menschen.

Anwohner hatten sich gegen die Eröffnung der Isolierstation gewehrt. "Wir haben ihnen gesagt, sie sollen ihr Camp nicht hier einrichten", sagte ein junger Bewohner, der anonym bleiben wollte. "Aber sie haben nicht auf uns gehört." An die Ebola-Epidemie glaube er nicht, sagte der Mann.

Das Gesundheitsministerium hat nun angekündigt, den ganzen Slum unter Quarantäne zu stellen. Das solle verhindern, dass Einwohner in andere Gebiete kommen. "Wir werden Lebensmittel und andere Güter nach West Point bringen, bevor die Maßnahme in Kraft tritt", hieß es. Viele Bürger hätten darauf wütend reagiert, schreibt Front Page Africa.

Das westafrikanische Liberia ist eines der am schlimmsten von der Epidemie betroffenen Länder. Mehr als 400 Menschen sind dort nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO bereits an dem Virus gestorben.

In Nigeria legen immer mehr Ärzte und Pflegepersonal die Arbeit nieder

In Nigeria legen Berichten zufolge immer mehr Mediziner in Krankenhäusern ihre Arbeit nieder. Betroffen sei vor allem das Yaba Mainland Hospital in Lagos, wo mehrere Infizierte auf Isolierstationen lägen, schrieb die Zeitung Punch. Viele Mediziner hätten die Klinik auf Druck ihrer Familien verlassen. Das wenige verbliebene Personal arbeite rund um die Uhr, hieß es.

"Jeder scheint große Angst vor Ebola zu haben, und niemand will helfen, was eine große Herausforderung ist", sagte der örtliche Gesundheitskommissar Jide Idris.

Eine vor mehreren Wochen an Ebola erkrankte Ärztin sei wieder gesund, sagte Gesundheitsminister Onyebuchi Chukwu am Samstag. Die Frau sei aus dem Krankenhaus in Lagos entlassen worden. Auch fünf weitere der insgesamt zwölf in dem westafrikanischen Land bestätigten Infizierten seien "fast geheilt".

Alle Fälle in Nigeria gehen auf einen Mann aus Liberia zurück, der Ende Juli auf dem Flughafen von Lagos zusammengebrochen und wenig später in Quarantäne gestorben war. Drei Menschen, die sich bei ihm angesteckt hatten, sind tot. 189 Personen werden überwacht, jedoch habe keiner bisher Anzeichen der Erkrankung gezeigt, so Chukwu.

Weltgesundheitsorganisation WHO
:Ebola-Ausbruch wohl noch schlimmer als befürchtet

Mehr als 1000 Menschen sind in Westafrika bereits an Ebola gestorben. Die WHO geht nun von einer noch größeren Katastrophe aus. Es könnte deutlich mehr Erkrankte geben als offiziell bekannt.

Kenia macht Grenzen dicht

Auch Kenia hat inzwischen seine Grenzen für Reisende aus Ebola-Gebieten geschlossen. Das Verbot gilt für Guinea, Liberia und Sierra Leone. Das teilte die kenianische Regierung mit. Gesundheitsminister James Macharia begründete die Maßnahme mit der "Sorge um die Volksgesundheit". Die Fluglinie Kenia Airways stellte ihre Verbindungen nach Liberia und Sierra Leone ein.

Verdachtsfall in Alicante nicht bestätigt

Ein Ebola-Verdacht bei einem Nigerianer in Spanien bestätigte sich am Wochenende nicht. Das teilte das spanische Gesundheitsministerium mit. Der Mann, der kürzlich in sein Heimatland gereist war, hatte wegen Fieber eine Klinik in Alicante aufgesucht und wurde auf eine Quarantänestation gebracht. Frühe Ebola-Symptome wie etwa Fieber oder Durchfall können auch von etlichen anderen Erkrankungen wie etwa Malaria herrühren.

Ausbreitung des tödlichen Virus'

Erste Ebola-Fälle waren im März in Guinea bestätigt worden, obwohl vermutlich schon seit Dezember Menschen an dem Virus erkrankt waren. Die Epidemie hatte sich schnell nach Liberia und Sierra Leone ausgebreitet. Seit einigen Wochen ist auch Nigeria betroffen. Bis vergangenen Mittwoch wurden nach WHO-Angaben mehr als 1100 Ebola-Tote registriert, es gab mehr als 2100 bestätigte und Verdachtsfälle.

Die WHO hatte die Seuche zum internationalen Gesundheitsnotfall erklärt. Inzwischen stimmte die WHO auch dem Einsatz bisher unerprobter Medikamente in den am schlimmsten betroffenen Staaten zu.

Ebola wird vor allem über den Kontakt mit Körperflüssigkeiten Infizierter übertragen.

© süddeutsche.de/dpa/AFP/zoch/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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