Frankreich:Dann kippte der Senator Ecstasy in ihren Champagner

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"Ich glaubte, ich würde sterben": So erzählte es Sandrine Josso im Fernsehen. (Foto: Bertrand Guay/AFP)

Ein Skandal umweht die noble Kammer des französischen Parlaments. Ein Senator soll versucht haben, eine befreundete Abgeordnete bei sich in der Dienstwohnung zu betäuben. Nun wird der Fall öffentlich in Frankreich verhandelt.

Von Oliver Meiler, Paris

Eine Woche lang hat Sandrine Josso geschwiegen. Die französische Abgeordnete ließ die Berichte in den Zeitungen über sich ergehen, und es waren viele gewesen, kein Wunder: Die denkwürdige und mutmaßlich strafrechtlich relevante Geschichte, die da in aller Öffentlichkeit verhandelt wird, trug sich in einer Dienstwohnung des Senats zu, der kleineren, konservativeren, irgendwie nobleren Kammer des französischen Parlaments. Auch ihr Name stand in diesen Berichten. Nun ist Sandrine Josso, 48 Jahre alt, im Fernsehen aufgetreten und erklärte dort: "Ich glaubte, ich würde sterben."

Vergangene Woche hatte sie ein befreundeter Parlamentskollege, der Senator Joël Guerriau, 66, zu sich nach Hause eingeladen. Für einen Umtrunk im kleinen Rahmen - nur sie zwei. Es gab etwas zu feiern: Guerriau war kürzlich wiedergewählt worden. Die beiden kennen sich seit vielen Jahren, sie haben denselben Wahlkreis im Département Loire-Atlantique, beide sind Zentristen. Sie sei "in aller Freundschaft" hingegangen, sagte sie, "im Vertrauen".

Steht nach dem Vorfall unter Arrest: Senator Joël Guerriau, 66. (Foto: Niviere David/IMAGO/ABACAPRESS)

Guerriau habe in der Küche zwei Gläser mit Champagner gefüllt, die seien schon voll gewesen, als er ins Wohnzimmer zurückgekommen sei. "Ich nahm einen ersten Schluck, er schmeckte anders als sonst, er war süßer, ich dachte, der Champagner sei vielleicht von schlechter Qualität." Guerriau habe dann mehrmals anstoßen wollen. "Ich fand das seltsam." Dann habe ihr Herz zu rasen begonnen. Guerriau habe ständig das Licht im Raum grell gestellt, dann wieder heruntergedimmt. "Die Ärzte erklärten mir später, dass sich damit die Wirkung der Drogen steigern lässt."

Es war Ecstasy. Josso hatte gerade noch die Kraft, die Wohnung zu verlassen, im Aufzug sei sie beinahe kollabiert, ein Taxi brachte sie nach Hause. Sie sei überzeugt, dass der Senator sich sexuell an ihr habe vergehen wollen. Das sagte sie auch der Polizei, als sie ihren Kollegen anzeigte. Die Beamten durchsuchten die Dienstwohnung, in einer Schublade unter der Anrichte lag der Plastikbeutel mit dem weißen Pulver: Josso hatte gesehen, wie Guerriau ihn da verstaut hatte. Die Substanz war dieselbe, die man auch in ihrem Blut fand.

Joël Guerriau habe eine schwierige Wahl hinter sich, sagt sein Anwalt. Und seine Katze sei gestorben

Guerriau wurde verhaftet. Seine Partei suspendierte ihn sofort. Und der Präsident des Senats appellierte beispiellos scharf an das Mitglied seiner Kammer, er möge alle seine Ämter niederlegen und am besten gleich in den Ruhestand treten.

Die Sorge ist groß, dass diese Affäre dem Image des Senats ausgerechnet jetzt schadet, da der eine wichtige Rolle spielt im politischen Betrieb. Seit das Lager von Präsident Emmanuel Macron keine absolute Mehrheit mehr hat in der Assemblée nationale, der größeren Kammer, ist der konservative Senat nämlich plötzlich die prominentere Bühne. Alle Scheinwerfer sind auf das Palais du Luxembourg gerichtet, nun auch aus jämmerlichem Grund.

Gegen Guerriau läuft ein Verfahren wegen des Verdachts auf "Verabreichung einer unerlaubten Substanz" mit der "Absicht der Vergewaltigung oder des sexuellen Übergriffs". Sein Anwalt dementiert. Sein Mandant, beteuert er, habe eine schwierige Wahl hinter sich. Kürzlich sei auch noch dessen Katze gestorben, im Alter von zwanzig Jahren. Der Tod des Tiers habe ihn sehr mitgenommen. Guerriau habe deshalb einen Freund gebeten, er möge ihm "etwas Euphorisierendes" besorgen, einen "Muntermacher".

So sei das Pulver in den Besitz des Senators gekommen. Dass es dann "auf dramatische Weise" ins Glas der Abgeordneten geriet, ohne deren Wissen, ohne deren Einverständnis - das sei einer "fehlerhaften Handhabung" geschuldet. Böse Absicht sei keine dabei gewesen, denn sein Mandant sei ein "respektierter und respektabler Mann", der seine Ehre wiederherstellen werde. Selbst hat Guerriau sich noch nicht öffentlich über den Fall geäußert, er steht unter Arrest.

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