Düsseldorfer Flughafen-Evakuierung:Prozess gegen Kofferdieb wird neu aufgerollt

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Von Dienstag an wird das Verfahren gegen den mutmaßlichen Kofferdieb wieder aufgerollt. (Foto: dpa)

"Das kann doch nicht strafbar sein": Der herrenlose Koffer sorgte am Flughafen von Düsseldorf im September für Chaos - der verurteilte Dieb will ihn aber nur gefunden haben. Nun beginnt der Prozess aufs Neue.

Die spektakuläre Evakuierung des Düsseldorfer Flughafens wird seit Dienstag erneut vor Gericht aufgerollt. In erster Instanz war ein 32-jähriger Angeklagter zu acht Monaten Haft ohne Bewährung wegen schweren Diebstahls verurteilt worden. Er soll einen Koffer gestohlen und in der Abflughalle des Airports abgestellt haben, weil er annahm, er habe versehentlich eine Ladung Drogen gestohlen. Aus ihrer Sicht habe es sich nur im einen versuchten Diebstahl gehandelt, bemerkte die Vorsitzende Richterin zum Beginn der Verhandlung. Angesichts des Vorstrafenregisters würde sie aber das Strafmaß deswegen nicht ändern wollen.

Die englischen Behörden hatten eine lange Liste von Vorstrafen und 19 Aliasnamen übermittelt. Als gewerbsmäßiger Dieb und Intensivtäter soll Hakim B. auf der Insel seinen Lebensunterhalt verdient haben. Dort saß er auch im Gefängnis und wurde schließlich ausgewiesen. Doch zum erwarteten schnellen Urteil kam es nicht.

Verständigungsschwierigkeiten

Am Nachmittag begann die Staatsanwaltschaft, Zeugen herbeizutrommeln. Zweifel waren aufgekommen, ob die früheren Aussagen des Algeriers richtig übersetzt worden waren. "Er spricht Umgangssprache auf niedrigem Niveau", sagte der Dolmetscher auf Befragen des Gerichts. "Es ist schwierig, ihn zu verstehen."

Der Angeklagte hat nach eigener Aussage nie eine Schule besucht und ist Analphabet. "Ich spreche die Sprache der Straße. Es ist schwierig mit meiner Sprache, ich weiß nicht, was da alles rauskam", sagt Hakim B. über seine Aussagen bei der Polizei. "Warum bin ich eigentlich hier, darf ich das mal fragen?" sagt er nach mehreren Stunden Verhandlung. "Ich habe doch am Flughafen nur einen Koffer gefunden und der Polizei dort vor die Tür gestellt. Das kann doch nicht strafbar sein."

Falscher Alarm

Ein Bomben-Experte hatte wegen des Kofferinhalts mit mehreren Paketen mit Pulver und einem Kabel einen Sprengsatz vor sich geglaubt und Großalarm ausgelöst. Der Airport wurde geräumt, stundenlang war der Flugverkehr unterbrochen. Die Bilanz: 140 ausgefallene Flüge, rund 10 000 gestrandete Passagiere und ein Millionenschaden. Überwachungskameras hatten Hakim B. aufgenommen, als er mit dem grell-bunten Koffer mit London-Motiven durch den Airport zog. Wochen später war er von einem Hotelangestellten wiedererkannt worden, als mit einem Bild nach ihm gefahndet wurde.

Doch Hakim B. beteuert, nur in Düsseldorf gewesen zu sein, um in den Handel mit Autos zwischen Deutschland und Algerien einzusteigen. Ein Freund habe ihn angelernt. Die Sache mit dem Koffer habe sich ereignet, als er auf ihn gewartet habe.

Er sei der Sohn eines algerischen Zimmermädchens, das in Pariser Hotels gearbeitet habe. Der Freund seiner Mutter habe ihn im Alter von fünf Jahren an Freier verkauft, er habe bis zu seinem zwölften Lebensjahr in England und der Schweiz anschaffen müssen. Dann sei der Lebensgefährte seiner Mutter deswegen zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden und er in eine Pflegefamilie gekommen. Später habe er Heroin und Crack konsumiert und gestohlen.

Der Mann mit den 19 Aliasnamen

Die Aussage, dass er seinen Lebensunterhalt mit Diebstählen verdiene, habe sich aber nur auf seine Zeit in England bezogen. Im Gefängnis dort habe er den Entzug hinter sich gebracht und in Spanien keine Drogen mehr angerührt und straffrei gelebt. Er habe seit 2010 in Barcelona mit seiner Frau zusammengelebt, die er als Kellnerin in London kennengelernt habe. Er sei Vater von drei Kindern und habe in Barcelona auf einem Gemüsemarkt gearbeitet. Das Gericht hat nun zu entscheiden, ob es dem Mann mit den 19 Aliasnamen glaubt. In der kommenden Woche hat Hakim B. zwei Drittel seiner Strafe abgesessen, könnte also freikommen.

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