Deutscher in US-Haft:Seine Briefe aus dem Gefängnis klingen jetzt anders

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Jens Söring sitzt seit mehr als 30 Jahren wegen Doppelmordes in einem US-Gefängnis. 2006 hat unsere Autorin ihn zum ersten Mal getroffen.

Von Karin Steinberger

Ich kenne ihn jetzt schon lange, 2006 saß ich Jens Söring das erste Mal gegenüber, da war er seit 20 Jahren im Gefängnis. Schon damals war das mehr als die Hälfte seines Lebens. Schon damals sagte er: Ich war es nicht. Ein Deutscher in einem US-Gefängnis, verurteilt zu zwei Mal lebenslänglich wegen der Morde an Nancy und Derek Haysom, die am 30. März 1985 in ihrem Haus in Lynchburg, Virginia, brutal erstochen wurden. Jens Söring wusste, in den USA bedeutet lebenslänglich normalerweise: im Gefängnis sterben.

Jetzt sitzt Jens Söring seit mehr als 30 Jahren im Gefängnis, und er sagt noch immer, dass er damals nach seiner Verhaftung in England nur gestanden habe, um seine große Liebe Elizabeth Haysom vor dem elektrischen Stuhl zu retten. Von der großen Liebe war da nur noch wenig übrig, vor Gericht hatte sie gegen ihn ausgesagt, sie sitzen in US-Gefängnissen, 41 Meilen voneinander entfernt, doch seit Jahren kein Wort.

Dass es jetzt neue Erkenntnisse gibt, Informationen, die Söring entlasten würden, wusste ich seit einiger Zeit, und: man spürte es. Jens Sörings Briefe aus dem Buckingham Correctional Center klangen anders, Erinnerungen kamen hoch. Er erlaubt sich nur selten Erinnerungen, sie tun weh, aber jetzt schrieb er, wie er damals das erste Mal in Handschellen war, April 1986, in Tschernobyl war gerade Block 4 in die Luft gegangen. Und er spürte die Kälte an den Gelenken, roch den Gestank in Her Majesty's Youth Remand Centre in Ashford, England, ein Gefängnis, so schmutzig und eklig, die Fenster zerbrochen, blätternde Farbe, und überall Kälte. Die Sonne war schon untergegangen, als er dort ankam, er war 19, und an die Wand hatte einer gekritzelt: "Bronco likes little white boys."

Genau das war er damals, ein little white boy.

Vor ein paar Tagen hat der Anwalt von Jens Söring also eine Petition an den Gouverneur von Virginia geschickt. Terry McAuliffe hatte von ihm erst im Dezember 2015 einen Antrag auf Haftüberstellung nach Deutschland bekommen. Es folgt der übliche Aufschrei der Republikaner, die "deutsche Bestie" dürfe nicht nach Deutschland entlassen werden. Den Antrag hat McAuliffe abgelehnt.

Aber die neue Petition enthält brisante neue Erkenntnisse. Es geht um signifikante Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Geständnisses von Jens Söring. Und um Blutproben, die beweisen, dass ein anderer Mann als Söring am Tatort war.

In der Petition an den Gouverneur von Virginia plädiert Sörings Anwalt Steve Rosenfielt nun also nicht mehr um Entlassung auf Bewährung oder Haftüberstellung nach Deutschland. Jetzt geht es um die bedingungslose Anerkennung von Jens Sörings Unschuld.

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SZ PlusFall Jens Söring
:Neben der Spur

Seit mehr als 30 Jahren sitzt Jens Söring im Gefängnis, er soll zwei Menschen ermordet haben. Er sagt, er war es nicht, aber keiner glaubt ihm. Bis zu dem Tag, an dem klar wird: Es muss ein anderer Mann am Tatort gewesen sein.

Von Karin Steinberger

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