Deutsche Geschichte:Berliner Straßenkampf

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Über Jahrzehnte wurde in der Hauptstadt darüber diskutiert: Jetzt soll das Afrikanische Viertel in Wedding neue Namen bekommen. Doch der nächste Streit hat schon begonnen.

Von Verena Mayer, Berlin

Sobald es um Straßen geht, wird es in Berlin mühsam. Zum einen sind sie oft sehr eigenwillig nummeriert. Dazu kommt, dass die Stadtplaner früher ganze Straßenzüge einem Themenkomplex gewidmet haben. Das kann charmant sein, wenn man im Bayerischen Viertel zwischen Rosenheimer, Münchner und Landshuter Straße lebt oder man umgeben ist von Komponisten (Klopstockstraße, Bachstraße, Händelallee) oder Vögeln (Spechtstraße, Steinkauzgasse, Drosselweg). Es kann aber auch seltsam sein. Wie im Afrikanischen Viertel, einer einfachen Wohnlage im Bezirk Wedding. Denn hier wird der deutschen Kolonialzeit ein unkritisches Denkmal gesetzt. Zwischen Togo-, Sansibar- und Kameruner Straße verläuft unter anderem die Lüderitzstraße, benannt nach einem deutschen Kaufmann, der im 19. Jahrhundert die Bevölkerung des heutigen Namibias systematisch um ihr Land betrog. Der Namenspatron der Petersallee wiederum war Carl Peters, ein bekennender Rassist, der die Kolonie Deutsch-Ost-Afrika gründete, wo er den Beinamen "blutige Hand" erhielt.

Seit Langem setzen sich verschiedene Gruppen dafür ein, mit all diesen Straßen umzugehen wie mit anderen historisch belasteten Namen auch: sie nämlich umzubenennen. Über Jahrzehnte wurde in Berlin diskutiert, wurden Vorschläge gemacht, 1986 wurde schließlich die Petersallee einem NS-Widerstandskämpfer namens Hans Peters zugeschrieben. Jetzt scheint eine größere Lösung in Sicht. Drei Straßen, die nach deutschen Kolonialherren benannt sind, sollen umbenannt werden. Dazu hat eine Jury, in der auch afrikanisch-stämmige Berliner saßen, 196 Vorschläge ausgewertet und sechs afrikanische Namen vorgeschlagen, aus denen der Bezirk nun wählen soll. Darunter Frauen wie die Musikerin Miriam Makeba oder Nzinga von Ndongo und Matamba, eine afrikanische Königin des 17. Jahrhunderts. Letztere stößt allerdings auf Kritik, weil sie mit Sklaven handelte. Und da ist noch die Bürgerinitiative Pro Afrikanisches Viertel. Die findet, man solle die Straßen lassen, wie sie sind, und nur anderen Personen zuschreiben. Lüderitz etwa sei auch eine Stadt in Namibia, für den nach einem Kolonialisten benannten Nachtigalplatz gebe es einen gleichnamigen Theologen. Das klingt zwar pragmatisch, widerspricht aber dem thematischen Prinzip. "Es sollen ja nicht irgendwelche Namen sein, sondern Namen mit Bezug zu Afrika", so die Stadträtin Sabine Weißler (Grüne).

Indessen haben Aktivisten eigene Wege gefunden, mit der Kolonialvergangenheit umzugehen. Und es brauchte nur einen Edding dafür. So wie in Mitte in der Mohrenstraße. Da hat jemand einfach auf das "o" zwei Pünktchen gemalt.

© SZ vom 08.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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