Falklandinseln:In der Corona-Krise argentinisch

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Die Falklandinseln: Berge, Moore, Pinguine, Schafe, sehr viel mehr gibt es hier nicht. (Foto: Matias Campodonico/dpa)
  • Argentinien will künftig auch an Covid-19 erkrankte Patienten in der nationalen Statistik führen, die auf den Falklandinseln leben.
  • Diese liegen 400 Kilometer vor der argentinischen Küste, gehören aber als britisches Überseegebiet zum Vereinigten Königreich.
  • Alle elf bislang mit Corona Infizierten gehören der britischen Armee an.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Die meisten Länder sind derzeit bemüht, ihre Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus so schnell und so weit wie möglich zu senken. Ganz anders die argentinische Regierung: Sie will künftig auch an Covid-19 erkrankte Patienten in der nationalen Statistik führen, die nicht in dem südamerikanischen Land leben. Sondern auf den Falklandinseln, spanisch auch Malvinas genannt.

Die Inselgruppe liegt einsam im sturmumtosten Südatlantik. Berge, Moore, Pinguine, Schafe, sehr viel mehr gibt es hier nicht. Insgesamt leben auf den Inseln nur knapp 3000 Menschen, viele von ihnen sind Nachfahren englischer Siedler, deren Schiffe im 19. Jahrhundert hier landeten, um Schafe zu züchten und Wale zu fangen. Bis heute pflegen die "Kelper" genannten Einwohner britische Traditionen, man spricht Englisch und trinkt Tee. Und bis heute regieren sich die Inseln zwar selbst, gehören aber als britisches Überseegebiet zum Vereinigten Königreich, was in der Vergangenheit immer wieder zu Spannungen mit Argentinien geführt hat.

Argentinien
:UN: Falklandinseln liegen in argentinischem Seegebiet

Seit Jahrzehnten streiten Argentinien und Großbritannien um die Inselgruppe, 1982 kam es zum blutigen Krieg. Jetzt könnte Bewegung in den Konflikt kommen.

Denn während die weißen Klippen von Dover von den Inseln aus rund 13 000 Kilometer entfernt sind, sind es nur knapp 400 Kilometer bis zur argentinischen Küste. Die südamerikanische Republik sieht sich dazu als legitimer Nachfolger der einstigen Kolonialmacht Spanien, die die Inseln einstmals von den Franzosen gekauft hatte, allerdings lebten da auch schon Engländer auf den Falklandinseln. Seit Jahrzehnten schwelt darum ein Streit zwischen London und Buenos Aires, der 1982 in einem Krieg eskalierte.

Die damalige argentinische Militärdiktatur ließ Truppen auf den Inseln landen, es ging um Fischfanggründe und potenzielle Bodenschätze, vor allem aber wohl auch darum, von der desolaten wirtschaftlichen Lage und den Menschenrechtsverbrechen daheim abzulenken. Allerdings war die Invasion schlecht vorbereitet, und die Soldaten waren kaum ausgebildet. Am Ende siegten die englischen Truppen, knapp 1000 Menschen starben, die meisten von ihnen Argentinier. Bis heute ist dort der Krieg ein nationales Trauma.

Überall im Land sieht man Schilder an den Straßen, auf denen steht, dass die Malvinas eigentlich zu Argentinien gehören. Auf allen Landkarten müssen sie als argentinisches Staatsgebiet eingezeichnet werden, und einmal im Jahr wird an einem landesweiten Feiertag der Gefallenen gedacht. Immer wieder kommt es zu Provokationen, mal gewollt, mal versehentlich. Und noch heute sind rund 2000 Soldaten der britischen Armee auf den Falklandinseln stationiert.

Auch eine globale Pandemie konnte an den politischen Verwerfungen anscheinend nichts ändern. Die argentinische Regierung bot schon Mitte März Hilfe an: Man könne Lebensmittel und medizinisches Gerät schicken, erklärte man in Buenos Aires, schließlich gehörten die Malwinen ja zum Staatsgebiet. In Stanley, Hauptstadt und Regierungssitz der Falklandinseln, reagierte man stoisch-britisch. Kein Kommentar. Nur der Hinweis, dass man durchaus gut vorbereitet sei auf einen Ausbruch der Krankheit und sich notfalls an Großbritannien wende.

Allein: In Zeiten von Corona rückt das Mutterland in immer weitere Ferne. Viele Staaten Südamerikas haben ihre Grenzen geschlossen, Flüge wurden gestrichen, die Falklands blieben zeitweise sogar von der Außenwelt abgeschnitten. Zwei Dutzend Highschool-Schüler konnten nicht zurück zu ihren Familien auf den Inseln, Tests von dort nicht zur Auswertung nach England. Mittlerweile gibt es wieder Verbindungen, allerdings eben auch elf Corona-Infektionen.

Alle positiv Getesteten sind zwar Angehörige der englischen Armee, das aber hält Buenos Aires nicht davon ab, sie in die argentinische Statistik zu integrieren. Bei den Einwohnern der Inseln hat das Empörung ausgelöst. Es sei eine "Schande", dass Argentinien eine schreckliche globale Tragödie für politische Spielchen benutze, schrieb Lisa Watson, die Herausgeberin der lokalen Zeitung Penguin News, auf Twitter. "Schaut auf das schöne Land, das ihr schon habt", fügte sie an die Argentinier gewandt hinzu. "Aber lasst uns bitte in Ruhe hier, in unserer kalten, kleinen Ecke der Welt."

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