Bremen:Ist das Kunst oder kann das weg?

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Der Bronzemann in den Bremer Wallanlagen sorgt für Rätsel: Das Kunstwerk wurde ohne Genehmigung aufgestellt. Darf es dort bleiben? (Foto: dpa)

Eine illegal aufgestellte Bronzestatue lässt die Bremer ratlos zurück. Sie könnte als Sachbeschädigung oder Umweltverschmutzung gewertet werden - oder einfach als Guerillakunst.

Von Ralf Wiegand

Es war eine gut geplante Aktion, so viel ist sicher. Vermutlich hat der Täter - oder haben die Täter, es war Schwerstarbeit - den Tatort als Baustelle getarnt, niemandem ist etwas aufgefallen. Doch das Ziel war nicht, etwas zu nehmen, sondern zu geben: den Bronzemann. Bremen hat nun eine Attraktion mehr. Und ein Problem.

Guerillakunst nennt man solche Objekte, die ohne Genehmigung im öffentlichen Raum auf- und ausgestellt werden. In Berliner Parks sind vor ein paar Jahren Skulpturen aufgetaucht, die zwar von Weitem aussahen wie aus Marmor gehauen, aber aus Styropor waren. Da kam dann die Müllabfuhr. Der berühmteste Vertreter dieser freien Form von Street Art dürfte Banksy sein, der unangekündigt durch Städte streift, etwa Bristol oder New York, und aus schäbigen Hausfassaden per Gemälde teure Exponate macht. Von Banksy weiß man auch nicht viel mehr als diesen Namen, ein Anonymus mit Pseudonym.

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Die Person, die in den Bremer Wallanlagen, einem denkmalgeschützten Park mitten in der Stadt, künstlerisch tätig wurde, ist nicht mal das. Wer auch immer den Bronzemann entworfen, gegossen und fachgerecht im Boden verankert hat, hält seine Identität geheim.

"Wir würden gerne mit der Person reden", sagt die Bremer Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz, ohne ihre Begeisterung für den Bronzemann zu verbergen: "Es ist ein ernst zu nehmendes Kunstwerk von hoher Relevanz." Andererseits ist es eben auch illegale Kunst, ihre Aufstellung könnte gleich mehrere Verstöße darstellen, etwa Sachbeschädigung oder Umweltverschmutzung. "Da gibt es klare Regularien", sagt die Staatsrätin, was übersetzt heißt: Bitte nicht nachmachen! Der Bronzemann aber sei achtsam genug aufgestellt worden, um keinem wehzutun, auch nicht dem Gesetz. Der Landesdenkmalpfleger als Schützer des historischen Parks drückt ebenfalls ein Auge zu.

Bauzaun soll jetzt die Statue schützen

Die lebensgroße Figur zeigt einen gebeugten Mann in zu großer Jacke und mit schiefer Mütze, er schiebt einen Einkaufswagen, und gerade weil der Wagen leer ist, sieht der Mann sehr beladen aus. Dass man in ihm sofort einen Wohnungslosen erkennen will, von denen es in dieser an Armen so reichen Stadt eine Menge gibt, ist nur ein Beleg für die Qualität der Arbeit (und die Vorurteile im Kopf). Auf dem Griff des Einkaufswagens ist ein Barcode aufgedruckt, den man scannen kann. Doch auch da erscheint statt eines Namens eine Botschaft: "Emptiness", Leere.

Inzwischen hat die Stadt Bremen einen Bauzaun um die Statue gezogen, die nach Expertenmeinung viele Tausend Euro wert ist - und ideell noch viel mehr: "Was diese Figur imstande ist, zu fragen!", schwärmt Carmen Emigholz von dem anarchischen Kunstwerk, das "ganz gezielt in diese Zeit platziert wurde, in der jeder nur an sich denkt und nicht an die, denen es viel schlechter geht". Ihre Behörde und sie persönlich recherchieren detektivisch, inzwischen bestehe sogar loser Kontakt zum Urheber, der sich aber nach wie vor nicht zu erkennen gebe - womöglich aus Angst vor Strafe. Die Stadt jedoch verspricht die Legalisierung: "Das Kunstwerk muss sichtbar bleiben", sagt Staatsrätin Emigholz. Amnestie für den Bronzemann!

© SZ vom 06.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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