Wer über das Gelände des Betty Ford Centers spaziert, der sieht ein paar Palmen, ein Volleyball-Spielfeld ohne Netz und hin und wieder einen Patienten, der von einem Haus zum anderen geht. Es ist heiß hier im Südosten Kaliforniens, das Thermometer zeigt mehr als 40 Grad an. Den Insekten scheint das zu gefallen, das monotone Brummen begleitet einen auf dem Weg zur Kantine. Dort gibt es Mittagessen, die Menschen haben Früchte und Salat auf ihren Tellern, sie trinken Orangensaft und Wasser. Es sieht aus wie in der Mensa einer Universität - und irgendwann fragt man sich dann doch: Das also ist die berühmteste Entzugsklinik der Welt?
Wo sind die luxuriösen Einrichtungen für die prominenten Bewohner? Wo ist der Whirlpool? Wo ist die Terrasse mit Blick auf einen Wasserfall? Und überhaupt: Wo ist Lindsay Lohan - die soll doch gerade wieder mal hier sein? Oder der ehemalige Boxer Oscar de la Hoya? Vielleicht Zac Efron? Der Typ da am Tisch, der gerade einen Apfel isst, das könnte ein Promi sein! Vielleicht aber auch nicht.
"Luxus haben wir hier nicht", sagt John Boop, Präsident der Betty Ford Center Foundation. Beim Rundgang sorgt er dafür, dass man nur ja nicht zu lange Ausschau hält nach Berühmtheiten. "Wir haben einen Fitnessraum. Bei gutem Wetter kann man bis zu den Bergen in der Wüste sehen. Und wir haben einen Hund: Der heißt Irish und ist bei den Patienten sehr beliebt." Dann führt er einen weiter in einen Hörsaal, in dem Betty Ford einst den Patienten ein Mal pro Monat von ihrer Sucht und der Behandlung berichtete: 120 herunterklappbare Stühle, Holzpodium, Mikrofon. Gott, ist das normal hier!
Das Center ist ein Teil der Popkultur
Wenn sich ein prominenter Patient in Entzug begibt, dann ist in den bunten Zeitschriften meist das Betty Ford Center als Ort angegeben - es ist ein Teil der Popkultur und wird ständig in Filmen, Fernsehserien und Talkshows erwähnt. Wer jedoch glaubt, dass dort Rockstars neben Schauspielerinnen und Sportlern am Pool fläzen, sich Massagen und eine Pediküre gönnen und danach rauchen, um vom Kokain runterzukommen, der täuscht sich. Solche luxuriösen Kliniken gibt es natürlich: Das Promises etwa liegt direkt am Strand von Malibu und wirkt eher wie ein Sechs-Sterne-Hotel denn wie eine Entzugsklinik, das Passages nicht weit davon entfernt ist ein barocker Palast, in dem die Gäste wie Adlige behandelt werden. In beiden Kliniken gibt es Terrassen mit Ozeanblick.
Das Betty Ford Center ist anders, das ahnt man schon auf der mehr als zwei Stunden dauernden Fahrt von Los Angeles. An der Schnellstraße I-10 steht ein Schild, auf dem steht: "Welcome to the Desert" - Willkommen in der Wüste. Dann gibt es 20 Minuten lang nur Sand und Steine zu sehen, erst danach passiert man wieder ein Dorf, in dem sich nicht nur Füchse und Hasen, sondern auch giftige Schlangen und Spinnen eine gute Nacht wünschen. Hierhin kommt niemand, weil er es will. Hierhin kommt, wer Angst hat zu sterben.
Journalisten werden lediglich geduldet, sie müssen Handys, Fotoapparate und Aufnahmegeräte abgeben. Man darf nicht mit den Bewohnern sprechen und auch nicht über sie. Es gibt keine Information darüber, welcher Promi hier war, wer gerade hier ist und wer womöglich bald kommen wird. Wer eine Berühmtheit sieht, der hat sich zuvor verpflichtet, niemandem zu erzählen, wen er gesehen hat. Das Betty Ford Center ist eine anonyme Oase für jene Hollywood-Persönlichkeiten, die es wirklich ernst meinen mit dem Entzug und nicht nur ein paar Tage ausspannen möchten.