Berlin: Kampf um besetztes Haus:Polizeieinsatz mit Rammbock

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Die Berliner Polizei hat eines der letzten besetzten Häuser geräumt. Die Bewohner und ihre Sympathisanten wehrten sich - 32 von ihnen wurden verhaftet. Etwa 2000 Menschen demonstrierten gegen die Aktion.

Nach der Räumung eines der letzten besetzten Häuser in Berlin haben am Mittwochabend rund 2000 Menschen gegen die Aktion demonstriert. Die Demonstranten wollten nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa zu dem geräumten Haus in der Liebigstraße in Stadtteil Friedrichshain ziehen, das am Mittwochmorgen von der Polizei mit Zwangsgewalt geräumt worden war.

An der Spitze des Zuges befand sich ein relativ großer sogenannter schwarzer Block mit zahlreichen Vermummten. Mehrfach wurden Feuerwerkskörper und Böller gezündet. Auch Flaschen und Steine waren Richtung Polizei geworfen worden. Beobachter schätzten die Stimmung als sehr aggressiv ein. Die Polizei zeigte starke Präsenz und machte deutlich, dass sie eine Rückkehr zu dem geräumten Haus unter keinen Umständen dulden werde. Die Protestierer zogen daraufhin vom Boxhagener Platz bis zur Warschauer Straße.

Nur mit einem massiven Polizeiaufgebot war am Vormittag die Räumung gelungen. Während des umstrittenen Polizeieinsatzes wurden bis zum Nachmittag mindestens 32 Besetzer festgenommen, davon neun in dem verbarrikadierten Altbau. Ihnen werde Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen, sagte ein Polizeisprecher. Die Besetzer hielten sich im dritten Stock auf. Sie versprühten Flüssigkeit aus Feuerlöschern. Fünf Polizisten wurden leicht verletzt.

Zwar hatte die Polizei das Gebiet um die Liebigstraße weiträumig abgesperrt, dennoch kam es in dem Kiez zu Ausschreitungen zwischen Autonomen und den Sicherheitskräften: Vermummte Demonstranten warfen Flaschen und andere Wurfgeschosse. Augenzeugen berichteten von Verletzten. Wasserwerfer und ein Räumpanzer waren für kurze Zeit zu sehen.

Laut Polizei versammelten sich in der Frankfurter Allee am Morgen etwa 300 Demonstranten. Die im Berufsverkehr stark genutzte Ost-West-Magistrale wurde in beiden Richtungen zwischen Frankfurter Tor und Samariterstraße gesperrt. Die Protestierenden wurden nach Beobachtungen von Augenzeugen eingekesselt.

"Wir bleiben alle"

Hausbesetzer und Unterstützer aus der linken Szene protestierten lautstark mit Sprechchören gegen die Zwangsräumung. Auch von Balkonen umliegender Häuser schlugen Demonstranten mit Löffeln, Schüsseln und Töpfen Krach. Sie skandierten: "Wir bleiben alle".

Beamte fuhren in der Liebigstraße 14 mit einem Spezialfahrzeug vor und brachen die Tür mit einer Axt auf. Das Haus war aber offenbar so verbarrikadiert, dass Einsatzkräfte auch ein Fenster im Erdgeschoss mit Axt und Rammbock eindrücken mussten. Auf den Balkonen waren am Vortag Möbelstücke postiert und Stacheldraht angebracht worden. Am Nachmittag wurde die Liebigstraße 14 dann an den Eigentümer übergeben. Laut Polizei betrat der Gerichtsvollzieher das Haus in Begleitung von Beamten.

Die linksradikale Szene hatte Aktionen gegen die umstrittene Räumung sowie eine Kundgebung am Abend angekündigt. Am Wochenende war es bei einer Demonstration gegen die umstrittene Räumung bereits zu Gewaltausbrüchen gekommen. 40 Polizisten waren verletzt worden. 17 Menschen wurden festgenommen.

Vergeblicher Versuch eines Räumungsstopps

Die Besetzer waren am Dienstag mit dem Versuch gescheitert, die Räumung in letzter Minute per Gerichtsentscheid zu verhindern. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte die Besetzer zu einem friedlichen Rückzug aufgefordert. Die Polizei wolle keine Eskalation.

Das Haus im Ostteil Berlins war 1990 besetzt worden. Die Bewohner erhielten später Mietverträge, wurden aber gekündigt, als zwei Privatleute das Haus Ende der neunziger Jahre kauften. Daraufhin hatte die Wohngemeinschaft einen Räumungsbescheid mit Frist für den 2. Februar erhalten.

Für politischen Zündstoff hatte 1990 die Räumung von besetzten Häusern in der Mainzer Straße nach einer mehrtägigen Straßenschlacht gesorgt. Der rot-grüne Senat stürzte über die Gewalteskalation. Heute sollen noch etwa 20 Häuser besetzt sein. Die rot-rote Koalition hatte in den letzten Tagen betont, an einer friedlichen Lösung in der Liebigstraße interessiert zu sein.

© dpa/AFP/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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