Bergarbeiter Mario Sepúlveda:Star wider Willen

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Er weist die Heldenrolle von sich, hüpft sich bei seiner Befreiung aber endgültig in die Herzen seiner Landsleute: Der temperamentvolle Elektriker Mario Sepúlveda hätte auch über Tage das Zeug für einen ganz besonderen Job.

Katarina Lukac

Er saß fast 70 Tage in einem Verlies in 700 Metern Tiefe - und das erste, was ihm nach seiner Rettung einfällt, ist ein Scherz: Als ironisches Gastgeschenk überreicht Mario Sepúlveda den Einsatzkräften und Staatschef Sebastián Piñera Gesteinsbrocken, die er als Souvenir mitgebracht hat.

"Ich werde nie müde, mich zu bedanken", sagte Sepúlveda - nicht ohne vorher ein paar Witze zu reißen. (Foto: AP)

Danach umarmt er seine Frau, führt wahre Freudentänze auf und boxt wild in die Luft. "Es lebe Chile, Scheiße!", schreit Sepúlveda seine Freude heraus und bringt das ganze Lager zum Singen.

Der 40-jährige Elektriker hatte es schon vor seiner Rettung zu weltweitem Ruhm gebracht. In den Videos aus der Tiefe trat er meist als eine Art Reporter auf, der durch die Sendung führte. Mit viel Humor und schneller Zunge berichtete er vom harten Leben in dem feucht-heißen Verlies in 622 Metern Tiefe. Seine Auftritte beendete er gerne mit dem Spruch: "Ich gebe zurück in die Sendezentrale."

Nur wenige Minuten nach seinem Aufstieg in der Kapsel, nach Absolvierung des Gesundheitschecks, setzt Sepúlveda vor der Kamera des Staatsfernsehens zu einem minutenlangen Monolog an - umgeben von seiner Frau und seinen zwei Kindern. Er wendet sich an die chilenische Regierung und die Helfer. "Ich werde nie müde, mich zu bedanken", sagt er im ersten Interview. Es sei "außerordentlich", was die Retter geleistet hätten.

Ihn selbst habe der Glaube die Strapazen unter Tage aushalten lassen. "Ich war hin- und hergerissen zwischen Gott und dem Teufel. Doch dann ergriff ich Gottes Hand. Ich wusste immer, Gott würde uns hier rausholen."

Dann bittet er die Medien darum, ihn nicht wie einen Star, Künstler oder Journalisten zu behandeln: "Ich will, dass Sie mich wie den behandeln, der ich bin - ein Bergarbeiter." Er sei stolz auf seine Herkunft und wolle weiterarbeiten.

Chile: Rettung der Bergarbeiter
:Stars unter und über Tage

69 Tage waren die 33 Minenarbeiter in Chile in über 600 Metern Tiefe verschüttet. Unter Tage sind manche Kumpel zu kleinen Berühmtheiten geworden: Die Helden von San José in Bildern

Bei allem Lob für die Regierung: Auch für eine selbstbewusste Forderung reicht die Energie des 40-Jährigen nach der Rettung. Die Arbeitsbedingungen im Bergbau müssten sich verbessern, mahnt Sepúlveda. "So können wir nicht weitermachen". In diesem Moment hört ihm ganz Chile zu.

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Dass sein Wunsch nach Normalität zumindest vorerst ein frommer Wunsch bleiben wird, zeigt sich derzeit im Camp Esperanza. Der Vater des ersten geretteten Kumpel, Alfonso Ávalos, erzählt gerade mit tränenüberströmtem Gesicht, wie glücklich er sei - als die allgemeine Freude um ihn herum in Chaos umschlägt.

Reporter rennen wie wild auf die Familie zu, trampeln ihr Zelt nieder, reißen sich gegenseitig an den Haaren und fangen fast an sich zu prügeln - niemand will das Interview verpassen. Verstört ziehen sich Ávalos' Angehörige zurück, seine Mutter Maria Silva schlägt mit einer chilenischen Fahne nach Reportern, die ihr allzu sehr auf den Leib rücken. Die Szene gibt einen Vorgeschmack auf die nächsten Wochen.

Schon längst sind die 33 Kumpel zu Helden geworden, Filme und Bücher werden das Drama in der Mine der Atacama-Wüste nacherzählen. "So einen Medienrummel habe ich seit der Rückkehr von Apollo 11 vom Mond nicht mehr erlebt", sagt Chiles Fernsehsuperstar Don Francisco, der selbst von der Mine aus berichtet. Ob sie wollen oder nicht, in ihr altes Leben werden die 33 Kumpel und ihre Familien nicht mehr zurückfinden. Ihr Leben von früher sei "bereits vorbei", sagt Enrique Chía, Psychologe an der Katholischen Universität von Chile.

"Einige Bergleute werden mit TV-Angeboten bombardiert werden. Sie können sogar Karriere machen", sagt René Rios, Soziologe an der Katholischen Universität.

Sepúlveda wird seine berufliche Zukunft vielleicht doch noch überdenken.

© sueddeutsche.de/AFP/dpa/dapd/Reuters/kat - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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