Containerschiff rammt Brücke:Ermittlungen in Baltimore - sechs Menschen vermutlich tot

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In der Nacht zum Dienstag hat ein großes Containerschiff eine Brücke im Hafen von Baltimore gerammt. (Foto: National Transportation Safety Board/Youtube/AFP)

Die vermissten Bauarbeiter stammen aus Lateinamerika. Möglicherweise haben Probleme mit der Stromversorgung zur Unfallursache beigetragen. Der US-Verkehrsminister sagt, man stelle sich auf Lieferkettenprobleme ein.

Nach dem Brückeneinsturz in der US-Stadt Baltimore dauert die Suche nach den Vermissten am Mittwoch an. Am Morgen (Ortszeit) wollten Taucher ihren Einsatz am Unglücksort fortsetzen. Die Behörden gingen jedoch davon aus, dass keine Vermissten mehr am Leben sind.

Nach Angaben des Verkehrsministers des Bundesstaats Maryland, Paul Wiedefeld, befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks acht Bauarbeiter auf der Brücke, um Schlaglöcher auszubessern. Zwei Menschen wurden am Dienstag gerettet.

Ein riesiges Containerschiff mit dem Namen Dali hatte die vierspurige und mehr als 2,5 Kilometer lange Autobrücke in der Nacht zu Dienstag gerammt: große Teile der Brücke brachen in sich zusammen, tonnenschwere Stahlträger wurden durch die gewaltige Krafteinwirkung wie dünner Draht verbogen.

Vermisste Bauarbeiter stammen aus Lateinamerika

Zwei Guatemalteken im Alter von 26 und 35 Jahren würden seit dem Unfall vermisst, teilte das Außenministerium des mittelamerikanischen Landes mit. Die Einwanderer-Organisation Casa sagte, eines ihrer Mitglieder werde ebenfalls vermisst. Es handle sich um einen dreifachen Familienvater aus El Salvador, der am Montagabend zur Arbeit gegangen und nicht nach Hause zurückgekehrt sei.

Der Sender CNN berichtete unter Berufung auf den mexikanischen Konsul in Washington, Rafael Laveaga, dass auch mexikanische Staatsbürger vermisst würden. Wie viele, sei nicht bekannt. "Wir wissen, dass unsere Leute betroffen sind", sagte Laveaga zu Journalisten. "Sie sind auch diejenigen, die die Brücke wieder aufbauen werden - die Latinos."

USA
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Die Suche nach den sechs Vermissten läuft auf Hochtouren. Der US-Präsident kündigt finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau an. Der Schiffsverkehr muss bis auf Weiteres gestoppt werden - Lieferkettenprobleme drohen.

Unfallursache: möglicherweise Probleme mit der Stromversorgung

Am Mittwoch sollte ein Team der Behörde für Transportsicherheit NTSB voraussichtlich erstmals an Bord des Schiffes gehen. Von besonderem Interesse sei dabei die Elektronik, insbesondere der sogenannte Schiffsdatenschreiber, sagte die Vorsitzende der Behörde, Jennifer Homendy, dem Sender CNN.

Ersten Erkenntnissen zufolge gab es vor dem Unglück ein Problem mit der Stromversorgung des Schiffes. US-Medien berichteten unter Berufung auf die See- und Hafenbehörde von Singapur, es sei zu einem "vorübergehenden Antriebsverlust" gekommen, weshalb die Dali ihren Kurs nicht halten konnte. Laut den US-Behörden gelang es der Crew, die Behörden in Maryland per Notsignal darüber zu informieren, dass man die Kontrolle über das Schiff verloren habe. So konnten offenbar Beamte an Land den Verkehr stoppen und so verhindern, dass noch mehr Autos auf die Brücke gelangten.

Der Ingenieur und Statiker Matthew Roblez sagte dem Sender CNN, die Einsturzstelle und die Überreste der Brücke müssten nun wie ein Tatort behandelt werden. Ihre Einzelteile würden nach und nach aus dem Wasser geholt, um zu untersuchen, warum und wie es zu dem Einsturz kam.

Die Brücke ist 1977 erbaut worden, lange bevor es Richtlinien für Kollisionsfälle gab. "Das lässt mich darüber nachdenken, wie viele andere Brücken da draußen anfällig sind", so Roblez. Laut CNN verfügen viele Brücken über sogenannte Fender zum Schutz der Stützen. An der Francis Scott Key Bridge habe es diese jedoch nicht gegeben.

Allein die Bergung der Teile werde Monate dauern, sagte Roblez, der Wiederaufbau etwa zwei Jahre. Die Kosten dafür lägen bei etwa 500 Millionen Dollar (gut 460 Millionen Euro). US-Präsident Joe Biden hatte angekündigt, den Wiederaufbau mit Geld vom Bund finanzieren zu wollen.

US-Verkehrsminister: Stellen uns auf Lieferkettenprobleme ein

Nach Angaben von Marylands Gouverneur Wes Moore war das unter der Flagge von Singapur fahrende Containerschiff "mit acht Knoten, also mit rasanter Geschwindigkeit" auf die Francis Scott Key Bridge zugesteuert. Das knapp 290 Meter lange Schiff sollte von Baltimore nach Sri Lanka fahren. Das dänische Reederei-Unternehmen Maersk teilte mit, es habe das von der Chartergesellschaft Synergy Group betriebene Schiff auf Zeit gechartert. Demnach befand sich kein eigenes Personal von Maersk auf dem Schiff. Die dänische Container-Reederei ist die zweitgrößte der Welt hinter Branchenführer MSC.

Beim Hafen von Baltimore handelt es sich um eine der wichtigsten maritimen Anlaufstellen der USA - insbesondere für den Import und Export von Autos und Kleinlastern, sagte Biden. Rund 850 000 Fahrzeuge werden pro Jahr darüber verschifft. Rund 15 000 Arbeitsplätze hingen davon ab. Verkehrsminister Pete Buttigieg teilte mit, man stelle sich auf Lieferkettenprobleme ein. Diese beträfen nicht nur die Region um Baltimore, "sondern die gesamte US-Wirtschaft". Die zuständige Behörde setzte den Schiffsverkehr in den Hafen bis auf Weiteres aus, größere Frachter wurden in einen Hafen des benachbarten Bundesstaats Virginia umgeleitet.

Die Sperrung des Hafens könnte Experten zufolge auch den Warenaustausch mit Deutschland beeinträchtigen. "Der Handel mit Deutschland dürfte von Umleitungen betroffen sein", sagte Commerzbank-Handelsexperte Vincent Stamer am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters.

"Baltimore gehört neben mehreren anderen Häfen in den USA, darunter New Brunswick und Charleston, zu den Häfen, die von Mercedes-Benz für Fahrzeugimporte genutzt werden", erklärte der Automobilhersteller auf Anfrage. Man stehe in engem Kontakt mit Logistikdienstleistern und beobachte die Situation. Der Vorfall dürfte aber keine Folgen für den Export von Fahrzeugen haben.

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