Batman, so erzählt später ein Zuschauer, habe gerade wieder "das Böse gejagt". "Es fielen Schüsse, es war Drama pur!" Da sei plötzlich ein dunkle Gestalt durch eine Seitentür ins Kino gestürmt: Der Mann "trug schwarze Klamotten, wie Tarnkleidung", erinnert sich Derek Poag Stunden später im Interview mit CNN, "und er hatte eine Gasmaske auf."
Verstörte Augenzeugen berichten, welcher Horror sich anschließend in Saal neun des Century-Aurora 16-Kinokomplexes abspielte: Der Täter habe eine Art Kanister auf den Boden geschleudert, es habe gezischt, dann sei Gas ausgetreten. Dann habe der Mann zu schießen begonnen. "Er ist langsam die Treppe heraufgekommen", sagt Poag und ringt nach Atem, "ruhig, völlig ruhig hat er sich die Leute ausgesucht, auf die er zielte."
Zwölf Menschen fallen der Schießerei zum Opfer. Zehn sterben am Tatort zwischen Kinositzen, zwei weitere erliegen ihren Verletzungen im Krankenhaus, nachdem sie in Aurora, einem Vorort von Denver in Colorado, kurz nach Mitternacht die Premiere des Batman-Films "The Dark Knight Rises" (übersetzt: "Der Schwarze Ritter erhebt sich") hatten erleben wollen.
Daniel Oates, der Polizeichef der Stadt, sprach auf einer Pressekonferenz am Freitag Mittag mit gebrochener Stimme von 59 Verletzten mit Schusswunden. Außerdem meldeten sich viele Kinobesucher in den vier Krankenhäusern mit Atembeschwerden, darunter eine Mutter mit ihrem erst sechs Monate alten Baby.
Der mutmaßliche Täter, ein 24-jähriger Mann namens James Holmes, ließ sich von der Polizei nur wenige Minuten nach dem Amoklauf in seinem Auto auf dem Parkplatz des Kinos widerstandslos festnehmen. Er sei der Polizei zuvor nicht aufgefallen, sagte Oates. Der Amokschütze sollte noch am Freitag einem Gericht vorgeführt werden. Am Montag soll er erstmals vor einem Richter erscheinen.
"Wir gehen davon aus, dass er allein gehandelt hat", sagte Oates. Holmes' Motiv blieb zunächst ein Rätsel. Das FBI teilte indes rasch mit: Es gebe keine Hinweise auf einen terroristischen Kontext. Der Polizeichef im weit entfernten New York, Ray Kelly, sagte am Freitag auf einer Pressekonferenz, Holmes habe die Haare rot gefärbt gehabt und der Polizei erzählt, er sei der "Joker" - also einer der Widersacher Batmans in den Comics und Hollywood-Filmen.
Holmes, der in San Diego, Kalifornien, aufgewachsen ist und bis vor wenigen Wochen an der Universität von Colorado Neurowissenschaften studierte, hatte seinen Wahnsinn geradezu perfektionistisch geplant. Seine pechschwarze Verkleidung, die kugelsichere Weste, der martialische Kampfhelm, selbst die dunkle Gasmaske passen an diesem Abend irgendwie ins Bild: Hunderte der Kinobesucher, die in gleich vier der 16 Säle die Erstvorführung des neuesten Batman-Films sehen wollen, hatten sich für dieses Kult-Event verkleidet.
Und weil der Blutrausch beginnt, als auf der Leinwand Schüsse fallen, glauben etliche Zuschauer, sie erlebten nur besondere 3-D-Effekte: "Wir haben erst mal ein paar Sekunden lang mal weitergeschaut", erinnert sich später eine Frau. Aber dann hört sie die ersten Schreie. Verzweiflung und Angst brechen sich Bahn, mit dem beißenden Rauch breitet sich Panik im Saal aus. "Jeder suchte krampfhaft Deckung, kroch durch die Reihen, wollte raus."
Doch es gibt keinen Schutz: Holmes hatte, so die Informationen aus dem Büro des Sheriffs, neben zwei Pistolen und einer Schrotflinte auch ein Sturmgewehr vom Typ AR-15 mitgebracht. "Diese Waffe hat eine solche Durchschlagskraft", schildert ein kopfschüttelnder Waffenexperte auf dem Kino-Parkplatz einem Fernsehsender, "die Kugeln können die Körper von zwei, drei, ja vier Menschen hintereinander durchdringen." Die Waffe ist halbautomatisch, Holmes muss für jeden Schuss einzeln abdrücken.