Alice Schwarzer:Wie die bekannteste Feministin des Landes zu einer Ikone wurde

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Verdienstkreuz 1. Klasse für Alice Schwarzer (Archiv 2005): Wie die bekannteste Feministin des Landes zu einer Ikone wurde (Foto: dpa)

Bundesverdienstkreuze, zahllose Ehrungen, Lob von Harald Schmidt. Das waren für Alice Schwarzer die letztgültigen Beweise, dass sie ins Reich der Quasi-Heiligen aufgestiegen war. Aus diesem ist sie nun zurückgekehrt, samt Bruchlandung.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Wie wird aus einem Menschen eine Institution? Und wie wird aus einer Frau wie Alice Schwarzer eine Ikone? Indem sich andere ein Bild machen von dieser Frau, ihr Qualitäten zuschreiben, die sie über andere erheben. Und indem diese Person, das ist ganz wichtig, selbst irgendwann glaubt und glaubwürdig vermittelt, erhaben zu sein, nicht mehr anfechtbar, nicht mehr wegzudenken von den intellektuellen und moralischen Schalthebeln der Gesellschaft. Oder doch?

Es war der Entertainer Harald Schmidt, der Alice Schwarzer einmal eine "Ikone der Frauenbewegung" genannt hat, bei der Verleihung des Ludwig-Börne-Preises 2008 war das. Börne-Preis plus Lob von Harald Schmidt - das war nach zwei Bundesverdienstkreuzen und zahllosen Ehrungen für Schwarzer der letztgültige Beweis, dass Deutschlands bekannteste Feministin in das Reich der Quasi-Heiligen aufgestiegen war. Aus diesem ist sie nun zurückgekehrt, samt Bruchlandung auf dem Pflaster der Mediengesellschaft.

Alice Schwarzer hat über viele Jahre ihr Geld - es muss eine ansehnliche Summe sein - auf einem Konto in der Schweiz versteckt und keine Steuern dafür bezahlt. Sie bedaure ihren Fehler "von ganzem Herzen", erklärte sie nun. Und machte schon im nächsten Atemzug das, was sie am allerbesten kann: andere angreifen. Schwarzer sieht sich zum einen als Opfer von Medien, die "auf Recht und Gesetz pfeifen". Zum anderen legt sie nahe, der Zeitpunkt der Enthüllung sei kein Zufall: inmitten der Emma-Kampagne gegen Prostitution , "wo es um Milliarden-Profite geht".

Allzu große Selbstzweifel hat sie sich nie erlaubt

Die Häme des Publikums dürfte Schwarzer gewiss sein, schließlich nährt ihre atemlose Vorwärtsverteidigung die Vorurteile ihrer schärfsten Kritiker. Den einen, es sind oft ältere Männer, gilt sie bis heute als personifizierte Moralkeule, als lustfeindliche "Emanze", auch wenn das kein Kampfbegriff mehr ist. Die anderen, unter ihnen nicht wenige jüngere Frauen, stören sich an Schwarzers kompromisslosem Ton, am Macho-Gehabe, das ihr auch in der Emma-Redaktion vorgeworfen wurde.

Allzu große Selbstzweifel, so viel scheint festzustehen, hat Alice Schwarzer sich nie erlaubt, vielleicht nie erlauben können. Ihre Lebensgeschichte, das ist eine vom Kopf-oben-behalten gegen alle Anfechtung. Sie ist bei den Großeltern aufgewachsen, und zwar in einer Zeit, in der ein uneheliches Mädchen aus einfachen Verhältnissen selbstverständlich kein Abitur machte. Schwarzer ist Autodidaktin, hat sich alles erkämpft: das Volontariat, den Aufenthalt in Paris, wo die französische Frauenbewegung sie anstiftete zu ihrer Kampagne gegen den Paragrafen 218 in Deutschland.

Anders als bis in die Achtzigerjahre, als Schwarzer noch ein Outcast war, als sie das christlich geprägte Westdeutschland schockierte oder mit ihren Anmerkungen über klitorale und vaginale Orgasmen für Verunsicherung sorgte, ist sie inzwischen angekommen: im bürgerlichen Establishment, das jetzt um Gleichberechtigung ringt. In den Talkshows, wo Schwarzer eine Dauerkundin ist, weil sie lustig ist und klug dazu. Bei der Bild-Zeitung, wo sie Kolumnen schreibt und mit ihrem Gesicht für ein Medium wirbt, dessen Methoden sie früher mit aller Macht bekämpft hätte.

Alice Schwarzer muss sich sehr sicher gefühlt haben. Das ist ihr zum Verhängnis geworden.

© SZ vom 04.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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