Aktuelles Lexikon:Kreuzberg

Ein idyllischer Blick auf Kreuzberg: Die Oberbaumbrücke über die Spree. (Foto: Emmanuele Contini/IMAGO)

Berliner Stadtviertel, das nach Ansicht des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz wenig mit Deutschland zu tun hat. Wie unfair.

Von Verena Mayer

Wer sich mit Kreuzberg beschäftigt, merkt, dass oft vom "Mythos Kreuzberg" die Rede ist. Der Berliner Bezirk war schon immer eine Projektionsfläche. Er stand für die Szene der Punks und Hausbesetzer, die sich in West-Berlin dem Wehrdienst entzogen. Für alternatives Leben, dafür, sich nichts gefallen zu lassen und dies auch auszudrücken. Mit den Liedern von Ton Steine Scherben oder mit echten Steinen, Stichwort Erster Mai. Vor allem aber ist Kreuzberg eine Chiffre dafür, dass es hier anders zugeht als im Rest des Landes und man möchte, dass es so bleibt. Ein Lebensgefühl wie im Roman "Herr Lehmann", in dem Kreuzberger Kneipengänger die Nachricht, dass die Mauer offen sei, mit dem Satz quittieren: "Erst mal austrinken." Insofern hat sich auch Friedrich Merz dieses Mythos bedient, als er auf dem Gillamoos-Volksfest in Bayern sagte, nicht Kreuzberg sei Deutschland, Gillamoos sei Deutschland. Unklar ist, was Merz andeuten wollte. Denn Kreuzberg ist sehr Deutschland. Die Gesellschaft ist heterogen und zum Teil überaltert. In Kreuzberg lebt viel Mittelschicht, wie Merz sagen würde, die Mieten sind teuer. Es trifft wohl zu, was schon 1998 im Buch "Mythos Kreuzberg" stand: Images, die eine Stadt hervorgebracht hat, sind nicht totzukriegen.

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