"20-Cent-Prozess" in Hamburg:17-Jähriger schlägt wieder zu

Lesezeit: 2 min

Er ist angeklagt, mit einem Mittäter wegen 20 Cent einen Dachdecker erschlagen zu haben. Nun hat der 17-Jährige auf einem Schulhof in Hamburg seine Freundin brutal verprügelt. Die Justiz kündigt Konsequenzen an.

Erst vor eineinhalb Monaten wurde der 17 Jahre alte Schläger aus der Untersuchungshaft entlassen, jetzt hat er schon wieder brutal zugeschlagen. Der Jugendliche, der im sogenannten 20-Cent-Prozess wegen der Tötung eines Mannes angeklagt ist, verletzte seine 18 Jahre alte Freundin auf einem Hamburger Schulhof schwer.

Blinde Gewalt: Ein 17-Jähriger, der erst vor wenigen Wochen wegen des tödlichen Angriffs auf einen Dachdecker aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, soll nun seine ein Jahr ältere Freundin brutal attackiert haben. (Foto: Symbolbild: dpa)

Er stieß die junge Frau zu Boden, würgte sie, schlug und trat auf sie ein, teilte die Polizei mit. Er habe erst von der 18-Jährigen abgelassen, als mehrere Lehrer dazwischen gingen.

Die junge Frau kam mit einem Beinbruch sowie Prellungen an Kopf und Oberkörper in ein Krankenhaus. Die Tat ereignete sich bereits am Donnerstag. Der 17-Jährige kam in Untersuchungshaft.

Der Tatverdächtige war erst im Mai nach mehr als sechs Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen worden, weil der Totschlagsprozess gegen ihn und einen Mitangeklagten geplatzt war.

Der 17-Jährige ist zusammen mit einem weiteren Jugendlichen angeklagt, weil beide einen 44 Jahre alten Dachdecker aus nichtigem Grund zu Tode geprügelt und getreten haben sollen. Sie hatten in der Nähe eines S-Bahnhofs 20 Cent von ihm erbetteln wollen, er hatte abgelehnt.

Der Anklage zufolge wurde der 44-Jährige dann so heftig geschlagen, das er mit dem Hinterkopf auf den Boden aufschlug. Danach sollen die Täter auf den Mann eingetreten haben. Knapp vier Wochen später starb er an seinen schweren Kopfverletzungen.

Verhandlung platzte wegen Aschewolke

Die bereits laufende Verhandlung war im April geplatzt, weil eine Richterin wegen der Vulkanaschewolke und dem Flugverbot über weiten Teilen Europas im Spanien-Urlaub festsaß. Dadurch wurden wichtige Fristen versäumt, so dass der Prozess neu aufgerollt werden und die Jugendlichen entlassen werden mussten.

In der Öffentlichkeit und bei den Angehörigen des 44 Jahre alten Opfers hatte die Entlassung der Jugendlichen aus der U-Haft Empörung ausgelöst.

Die Präsidentin des Hamburger Landgerichts, Sibylle Umlauf, hat sich nach der erneuten Gewalttat des 17-Jährigen betroffen gezeigt.

Auch der SPD-Innenexperte Andreas Dressel reagierte schockiert auf die jüngste Tat: "Der Umgang der Justiz mit diesen beiden Tatverdächtigen wird auf lange Sicht ein trauriges Lehrstück bleiben, wie die Gerichte auf gar keinen Fall mit jungen Gewalttätern umgehen dürfen." Der Vorfall sei Wasser auf die Mühlen all derer, die der Justiz ohnehin vorwerfen, sie agiere bei jungen Straftätern zu lasch und zu langsam, sagte Dressel.

Verlängerung der U-Haft angestrebt

Als Reaktion auf den jüngsten Ausraster des 17-Jährigen strebt Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grün-Alternative-Liste) in Einzelfällen eine Verlängerung der Untersuchungshaft an.

Die U-Haft soll in der Regel sechs Monate nicht überschreiten. Bisher darf die Frist nur verlängert werden, wenn etwa ein Richter erkrankt ist oder die Ermittlungen ungewöhnlich komplex sind.

Hamburg plant nun eine Bundesratsinitiative zur Änderung der Strafprozessordnung - um zu erreichen, dass auch höhere Gewalt ein Grund für eine längere Zeit in Untersuchungshaft sein kann. "Es gibt schon eine Regelung für die Erkrankung eines Richters, höhere Gewalt ist aber bisher nicht geregelt", sagte ein Sprecher der Justizbehörde am Montag. Er bestätigte damit einen Bericht des Hamburger Abendblatts.

© dpa/kat - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: