Selbstmord in China:Toter wegen Apple-Produktpiraterie

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Der Angestellte eines chinesischen Apple-Zulieferers hat den Prototyp eines iPhones verloren. Er ist tot. Sein Tod löst eine Debatte um Menschenrechte aus.

Astrid Bischof

Ein vielbewachter Prototyp des neuen iPhones verschwindet aus der Fabrik im chinesischen Shenzhen. Der Mann, der als Letzter an dem noblen Multimedia-Handy gearbeitet hat, steht schnell unter Verdacht und bekommt es mit den Ermittlern zu tun. Jetzt ist der 25-jährige Sun Danyong tot - er soll sich umgebracht haben, obwohl er alle Vorwürfe bestritten habe, auch nachdem er von Sicherheitsleuten der Firma verprügelt und erniedrigt worden war.

Teile des iPhones werden in China produziert. Nachdem der Prototyp eines Smartphones von Apple verschwunden ist, soll sich ein Mitarbeiter umgebracht haben. (Foto: Foto: AFP)

"Süße, es tut mir leid. Geh morgen wieder nach Hause. Ich habe Probleme bekommen. Erzähl meiner Familie nichts davon. Ruf mich nicht an. Zum ersten Mal bitte ich dich um etwas. Bitte tu, was ich sage. Es tut mir leid", diese SMS soll der junge Mann laut Bericht im Online-Portal der New York Times an seine Freundin geschickt haben - am Tag vor seinem Tod. Am Morgen des 16. Juli soll er aus dem zwölften Stock eines Apartmenthauses gesprungen sein. Foxconn Technology, das Unternehmen, für das Sun Danyong gearbeitet hat, bezeichnet Danyongs Tod als Selbstmord. Mittlerweile soll Foxconn aber auch einen der Sicherheitsleute entlassen haben.

Apple will Untersuchungsergebnisse abwarten

Auch der Apple-Konzern hat sich mittlerweile zu dem Vorfall geäußert: "Wir sind bestürzt über den tragischen Verlust dieses jungen Angestellten und warten auf Ergebnisse der Untersuchungen zu seinem Tod. Wir erwarten von unseren Zulieferern, dass sie ihre Angestellten mit Respekt und Würde behandeln." Weitere Stellungnahmen hat es seitdem aus dem Konzern nicht gegeben.

Die Nachricht über den angeblichen Selbstmord des 25-jährigen Angestellten hat eine Protestwelle ausgelöst. Die Kritiker weisen auf die Arbeitsbedingungen in den Fabriken und auf den Druck hin, den Apple auf die Zulieferer ausübt, um die Entwicklung neuer Produkte geheimzuhalten.

Der Fall des Sun Danyong ist ein Beweis dafür, wie hart umkämpft der Markt ist, in dem die Unternehmen auf dem Weltmarkt um die Platzierung neuer sogenannter Smartphones konkurrieren. Das chinesische Shenzhen - die Stadt, in der Sun Danyong gearbeitet hat - ist ein Zentrum von Produktpiraterie und -fälschung. Das iPhone wird schon lange in China gefälscht und nachgebaut. Immer wieder ist auf chinesischen Internetseiten darüber zu lesen, dass Prototypen des iPhones aus chinesischen Fabriken geschmuggelt worden seien.

"Wenn man Teile der Produktion an einen Dritten auslagert, dann verliert man auch ein Stück weit Kontrolle. Und wenn man nach China auslagert, dann ist das eine noch größere Herausforderung. Dort gibt es für jedes neue Design Kopfgeld", sagt Dane Chamorro, China-Generaldirektor der weltweit agierenden Consulting-Firma Control Risks.

Aktivisten für Arbeitnehmerrechte sagen, der Tod von Sun Danyong sollte Apple dazu bewegen, die Arbeitsbedingungen in chinesischen Firmen zu verbessern, um Ausbeutung der Angestellten zu verhindern.

Menschenrechtler auf den Plan gerufen

Auch der Konzern Foxconn, der zur taiwanischen Hon-Hai-Gruppe gehört, ist verdächtigt worden, unzulässig scharf mit seinen Mitarbeitern umzugehen und immer wieder die Rechte der Arbeitnehmer zu verletzen. Dafür gab es von mehreren Seiten Kritik. Foxconn produziert Elektronik für einige der bekanntesten Firmen weltweit, darunter auch Sony und Hewlett-Packard und betreibt in Südchina eine Vielfalt von florierenden Fabriken. In Shenzhen arbeiten 300.000 Menschen.

In einer E-Mail, die von dem Unternehmen China Labor Watch abgesetzt wurde, verurteilte man Suns Tod als Resultat "des inhumanen und militanten Managements bei Foxconn, das den Respekt für Menschenrechte grundsätzlich vermissen lässt". China Labor Watch überwacht die Arbeitsprozesse chinesischer Firmen und sitzt in New York. Das Unternehmen gab an, es habe im vergangenen Jahr eine Tiefenstudie über Foxconn veröffentlicht, in der von Misshandlungen die Rede war.

James Lee, der Geschäftsführer von Foxconn in China, verteidigte in einem Fernsehinterview die Arbeitsbedingungen des Unternehmens und sagte, Foxconn bemühe sich um eine Verbesserung seiner Betriebsanlagen. "Es ist sehr schwierig, für eine Firma, sich gegen derartige Vorwürfe zu verteidigen", erwiderte er auf Vorwürfe von Menschenrechtsgruppen. "Sie dürfen sich gerne einen Eindruck davon machen, wie Angestellte bei uns behandelt werden."

Ein Reporter besuchte zwei der Firmenstandorte in Shenzhen, darunter auch den, an dem Sun Danyong gearbeitet hat. Geschäfte, Banken, Postagenturen, Schlafräume und Swimmingpools gibt es dort, so groß ist das Firmenareal. An die Fließbänder durfte er wegen angeblicher Handelsgeschäftsgeheimnisse nicht heran.

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